Monat: März 2016

Traktor – Mean Business (2016)

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Traktor – Mean Business
Label: Atlas Rec, 2016
Format: Download
Links: Facebook, Band
Genre: Post-Hardcore

Ein Traktor ist eine Macht, schwer und unstoppbar pflügt er sich durch Felder und Wiesen. Freiwillig stellt sich niemand vor diese Maschine, schon von weitem erzeugt sie Respekt. Die Band aus Schweden will seit vier Alben ihrem Namen gerecht werden und hat dazu den Verbrennungsmotor gegen harte Riffs und krachende Schlagzeugbreaks eingetauscht. Post-Hardcore aus kalten Gebieten, aufgenommen auf einer abgelegenen Insel vor Stockholm – und trotzdem voller Wärme und Gedanken, die in die weite Welt gehören.

„Mean Business“ trägt schon mit seinem Titel mehrbedeutend auf, hat die Band ihr neustes Werk schliesslich ohne Unterstützung der Musikindustrie aufgenommen. Unfair und schwierig ist es, in der globalen Maschinerie sich zu behaupten, ohne ausgenutzt zu werden. Verständlich, dass sich in solchen Zeiten viel Wut anstaut und somit in wilden Songs herausgepresst wird. Traktor spielen im Umfeld von bekannten Grössen wie Refused oder At The Drive-In, erinnern in ihrer Liedgestaltung oft aber auch an neuere Namen wie La Dispute. Allgemein ist die Welle nie weit entfernt und schaut um die Ecke. Die Mannen sind im Herzen aber keine kalten und wilden Brocken, sondern mischen „Mean Business“ mit Zurückhaltung – eine Geste, die man in diesem Genre nicht oft antrifft. Es werden starke Melodien und klare Ausformulierungen gesetzt, heftige Angriffe und schneidende Breaks findet man selten. Sänger David Deravian erhält für seine Texte somit viel Raum, die Musik hält sich gerne an zweiter Stelle auf. Dabei gelingt es Traktor aber immer wieder, ihre Lieder sehr eingängig zu gestalten und erhalten dadurch eine Ruhe und klare Betrachtungsweise. Schade nur, dass viele gute Ideen sich die Lieder mit schwachen Momenten teilen müssen.

„Mean Business“ ist etwas durchwachsen – kein Lied wird sofort voller Jubel abgefeiert, aber man ergreift auch nicht die Flucht. Die Band aus Schweden versucht ihren Post-Hardcore mit diversen Mitteln vom Überfluss abzuwenden, schafft es aber leider nicht immer, ihre Ideen klar zu zünden. Sicherlich ist das Album spannend und gute Genre-Kost, Leute die sich mit Hardcore nicht gross abgeben werden aber auch hier keine Erleuchtung erhalten. Dafür spürt man das Herzblut und die Liebe der Musiker zu jeder Sekunde.

Anspieltipps:
Selter, Omega, Wizard Of Choice

Bill Flanagan – U2 At The End Of The World (1995)

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Bill Flanagan – U2 At The End Of The World
Verlag: Delta, 1996
Autor: Bill Flanagan
Seiten: 544, Paperback
ISBN: 9780385311571
Link: Goodreads

„Rarely has a rock biography been as insightful or as much fun. It reads like a James Joyce-meets-Hunter Thompson novel. It’s the literary equivalent of the Zoo TV tour–a brash, ambitious marathon with a momentum all its own.“– Boston Globe

Als Fan einer Band über genau diese Menschen ein Buch zu lesen, das hat immer etwas Spezielles. Gerade bei U2 ist für mich jede Info und jede noch so kleine Geschichte interessant – besonders wenn sich die Texte über ihr kreatives Schaffen und die Arbeitsprozesse drehen. Das Buch „U2 At The End Of The World“ ist aber mehr als das, es ist eine der besten Rock-Biografien aller Zeiten, die es schafft, Konflikte, Erfolge und Meinungen wundervoll in einem vergnüglichen Text zu kombinieren. Das Buch fesselt von der ersten Seite an und wird nie langweilig.

Bill Flanagan zeichnet nicht nur eine intime Momentaufnahme zur Zeit von „Achtung Baby“, „Zoo-TV“ und „Zooropa“ – sondern hinterfragt die Ansichten, Stellungen und Entscheidungen der Band. Sei dies nun in ihren Texten, Videos oder Treffen mit berühmten Persönlichkeiten – alles erhält genügend Raum um Analysen zuzulassen und auch Skeptiker aufzuzeigen, dass hinter den Tätigkeiten von U2 doch viel mehr lauert, als so manche vermuten. Flanagan springt dabei gerne mal in der Chronologie umher, kombiniert Erinnerungen der Musiker mit aktuellen Wendungen und erschafft die Rockband als schillerndes Bild neu. Gastauftritte von Pearl Jam, REM, Salman Rushdie oder Naomi Cambell bieten differenzierte Meinungen und Blicke auf U2 und deren Verhalten.

Man begleitet die Band durch Aufnahmestudios, über Konzertbühnen, in Clubs und Bars – erlebt Streit und Schmerz, Jubel und Erfolg, sowie immer währende Skepsis. Wie kann man als Konstrukt U2 seinen Erfolg mit den eigenen Ansprüchen verbinden? Wie kann man als Musiker ehrlich und tolerant bleiben, gleichzeitig aber die Dekadenz und den Überfluss ausleben? All dies vermengt sich zu einem faszinierenden und packenden Buch und macht mit jeder Seite Lust U2 ab Platte, DVD und Bühne zu geniessen. Bravo Herr Flanagan, und danke U2, dass ihr ein solch ehrliches und detailliertes Portrait zugelassen habt!

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David Bowie lives on – Ausstellung in Basel

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David Bowie lives on – Fotos von Markus Klinko
Licht Feld Gallery, Basel
25. März bis 10. April 2016

Es war plötzlich, doch er bleibt immer da. David Bowie ist auch wenige Wochen nach seinem Ableben immer noch schier omnipräsent. Sei es bei Radiostationen, Partys, Zeitschriften oder eben auch Galerien. So kann man zur Zeit in der Licht Feld Gallery in Basel eine kleine aber feine Fotoausstellung zum Meister geniessen. Hübsch in einem Innenhof nähe Kannenfeldplatz gelegen, kann man eintrittsfrei tolle Fotografien aus der Zeit zu „Heathen“ betrachten. Die Frage zur Leichenfledderei stellt sich somit gar nicht, denn diese Portraits gehören ausgestellt. Es wird nichts zelebriert oder ausgenutzt, ein Meister wird neu beleuchtet.

Markus Klinko ist ein international renomierter Fotograf, der eigentlich aus der Werbebranche stammt. 2001 erhielt er die Gelegenheit David Bowie zu fotografieren und nahm dankend an. Dabei entstanden stimmungsvolle und ausdrucksstarke Portraits und Bilder, die den Musiker mal geerdet und mal übernatürlich erscheinen lassen. Bestens bekannt ist bestimmt das Covermotiv von „Heathen“, auf dem Bowie mit dämonischen Augen die Menschlichkeit weit hinter sich lässt. Als Held erscheint er auf den Bildern mit Wölfen, als Denker schaut er rauchend aus dem Rahmen hinaus. Obwohl man in der Galerie nur eine beschränkte Anzahl von Fotografien betrachten kann, sind diese wunderbar ausgeführt und erzählen kleine Geschichten. Dank der enormen Grösse der Bilder wird man direkt gepackt – man verschwindet mit dem Künstler.

Ein Besuch lohnt sich also nicht nur für Fotografieinteressierte, sondern auch für Liebhaber des Musikers und Kunstkenner. Klinko hat neben Bowie auch Musikerinnen wie Lady Gaga, Britney Spears, Lindsay Lohan oder Beyoncé abgelichtet und dabei immer attraktiv präsentiert. Bei „David Bowie lives on“ geht es nicht direkt um körperliche Präsentation, sondern um Schattenwirkung, Vielfalt und eine Vermengung von Vergangenheit und möglicher Zukunft. Passend also zu der Musik des Verstorbenen.

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Media Monday #248

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Will man eigentlich immer fremden Menschen dabei zuschauen, wie sie heroisch ihr interessantes Leben bestreiten? Ja gerne, findet auch der Medienjournal. Heute mit Fragen von Gloria.

1. Zu Ostern wünsche ich mir nur eines, nämlich nicht all zu viele Schokohasen zu kriegen. Sonst liegen die wieder frech für Wochen und Monate in der Küche herum und versuchen sich zwischen die Mahlzeiten zu zwängen. Es gibt sowieso bessere Schokolade, als diese Industriegussfiguren.

2. Bevor ich mich an „Fuller House“ wage würde eher eine Sichtung der alten Folgen (noch unter dem Namen „Full House“) Sinn machen. Denn ich kann mich nicht mehr wirklich an die Serie erinnern. Netflix bietet nun aber alle Folgen der acht Staffel. Mein Gott ist das viel Material!

3. Früher haben wir zu Ostern noch viel mehr gebastelt. Heute schreibe ich praktisch nur noch Texte. Oder wäre es vielleicht an der Zeit, ein edles Mixtape zu kreieren, das in jedem Song Bezug zu Hasen, Eier oder Jesus nimmt? „Bunny’s Jesus Eggs“, now only on CD.

4. Wenn ich an „Batman v Superman: Dawn Of Justice“ denke, dann möchte ich am liebsten heulen. Zack Snyder hat aus einer schier unendlichen Menge an Potential ein Film gebastelt, der an keinem Punk stimmig ist und immer wieder in sich selber zusammenfällt. Was für ein Chaos, was für Hick-Hack. Immerhin ist Gal Gadot als Wonder Woman hammermässig!

5. „Batman And Robin“ werde ich nie wieder ansehen, weil Joel Schumacher aus der Fledermaus eine lächerliche Witzfigur gemacht hatte – mit Batman Kreditkarte und Nippel. Die Geschichte ist absolute Kacke, das Setdesign ein Alptraum und die Dialoge unterirdisch. Allgemein sind praktisch alle Batman-Verfilmungen vor „Batman Begins“ nicht auszuhalten.

6. Jesse Eisenberg hätte eigentlich längst mal eine größere Auszeichnung verdient, und zwar weil er immer in jeder Rolle ausdrucksstark den Zeitgeist trifft. Seine Darstellung von Lex Luthor im neusten DC-Blockbuster ist eine vorzügliche Mischung aus Nerd, Wahnsinniger und CEO des 21. Jahrhunderts. Doch noch ein weiterer positiver Punkt zum Gladiatorenkampf.

7. Als gute Geschenkidee würde ich praktisch nie etwas empfehlen, weil ich total unbegabt bin, passende Geschenke zu finden. Egal wie nahe mir eine Person steht, ich bin immer zu spät, zu unkreativ und zu verzweifelt. Glücklicherweise haben wir bei uns in der Familie schon lange damit aufgehört, einander tonnenweise Dinge zu verteilen. Geht ja auch ohne.

Live: Refused, Fri-Son Fribourg, 16-03-19

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Refused
Support: SAFI
Samstag 19. März 2016
Fri-Son, Fribourg / Freiburg

Kennt ihr diese Sänger, die innerhalb eines Auftritts alle bekannten Rockposen abziehen, auf den Monitoren rumhüpfen, das Mikrofon durch die Luft fliegen lassen und zwischen den Songs aufgeregt mit dem Publikum sprechen? Nun, Dennis Lyxzén von der schwedischen Band Refused macht all dies während einem Song – und dann einen ganzen Abend lang. Die Gruppe ist nach einer langen Pause seit 2014 wieder unterwegs und machte in Fribourg Halt. Ihre explosive Mischung aus Hardcore und Punk liess das Lokal schnell heiss werden und freudig prallten die Leiber aller Zuschauer aufeinander.

Refused boten schliesslich genügend Gründe, denn wenn die vier Mannen mit ihrem fünften Tour-Mitglied loslegen, vergisst man alles andere um sich herum. Sorgen werden klein bei dem wilden Schlagzeuggewirbel, Probleme treten hinter die krachenden Gitarrenwände. Die Band stand schon immer für politisch engagierte und sehr links eingestellte Texte – und auch wenn die Lieder zwei Jahrzehnte später teilweise etwas naiv wirken können, sind sie immer noch aktuell und wichtig. Eigentlich mehr als traurig, dass solche Musiker immer noch für Geschlechtergleichheit, Toleranz und soziale Politik kämpfen müssen. Lieder wie „New Noise“ oder „Refused Are Fuckin‘ Dead“ haben somit nichts von ihrer Sprengkraft verloren und die Band zeigte sich mehr als spielfreudig. Lyxzén raste unermüdlich zwischen seinen Mitmusikern umher, hielt lange Ansprachen und trieb die Gruppe zu heftigen Ausbrüchen.

Ihre Musik ist beeindruckend anders dank der intensiven Mischung aus Hardcore, Punk, Rock und sogar Jazz oder elektronischen Einsprengseln. Die Lieder brechen in sich zusammen, holen neue Energie aus der Tiefe und starten dann komplett durch. Die Breaks dienen nur dazu, die Instrumente wieder korrekt in die Hände zu kriegen und kurz den Schweiss von der Stirne zu wischen. Pausen zwischen den Songs braucht eine solche Band nicht, ausser ihr Sänger will seine Gedanken mitteilen. Ein Umstand, den auch das Publikum begeisterte und von Beginn bis Schluss in einen Moshpit gleiten liess. Refused bewiesen somit, dass die Welt sie immer noch will und braucht. Schön, sind sie wieder da und versuchen unser Leben etwas bunter zu gestalten.

Safi wussten musikalisch zwar nicht so zu überraschen, die Punk-Band aus Deutschland läutete den Abend aber mit vielen krummen Gitarrenriffs und hartem Gesang ein. Das Trio wurde persönlich von Refused eingeladen um sie in Europa zu unterstützen – und man merkte auch wieso. Safi sind eine intelligente Band, die viele Themen in ihren Liedern ansprechen, die auch die Schweden beschäftigen. Egal ob Golem oder Janus, zwei Gitarren oder grummelndes Schlagzeug, handgemacht und wild eroberte die Band das Fri-Son und liess bald alle ahnen, was hier noch folgt: Ein Konzertabend, der in die Knochen geht.

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Live: IAMX, Salzhaus Winterthur, 16-03-24

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IAMX
Donnerstag 24. März 2016
Salzhaus, Winterthur
Setliste

Ekstase – ein Wort reicht aus, um den aktuellen Zustand und Verlauf der Metanoia-Tour von IAMX zu erklären. Das Soloprojekt von Chris Corner aus London reist seit letztem Jahr erneut durch die Welt und versetzt schwarz gekleidete Menschen, düstere Clubs, Städte und Gemeinschaften in helle Aufregung. Clubmusik gepaart mit emotionalem Weltschmerz, flüssige Lavamelodien mit knusprig erhitzten Beats – der Siegeszug der Band setzt sich unaufhaltbar fort.

Jedenfalls fast gänzlich, denn dank dem Verkehrschaos vor Ostern trafen IAMX etwas später als gedacht im Salzhaus ein. Doch ein solch heftiges Konzert passt so oder so besser in die späten Nachstunden als in den Abend voller Biergespräche. Diese verstummten auch alsbald Chris und seine drei Mitmusikerinnen und -musiker die Bühne betraten und zwischen vier Leinwänden, unzähligen elektronischen Gerätschaften und Scheinwerfern ihre Plätze einnahmen. Was dann folgte, war eine Urgewalt – ein erneuter Beweis, dass die Band es blendend versteht, alle Menschen in einem Raum von der ersten Sekunde an mitzureissen. Die Keyboards und Synths hauten laute und eingängige Melodien raus, das Schlagzeug füllte die Leerstellen mit tanzbaren Beats und Rhythmen. Der Wohlklang wurde immer wieder mit Verzerrung und Albträumen gemischt, die Stroboskoplichter und Nebelmaschinen verwirrten die letzten klaren Gedanken. Wer sich am Anfang noch etwas über die Zurückhaltung wunderte, der wurde spätestens beim vierten Song mit in die Hölle genommen und nahm an der unendlichen Tanzparty teil.

Man erhielt das Gefühl einer Batterie, die mit jedem Lied stärker aufgeladen wurde und bei den Ausbrüchen von „Nightlife“, „No Maker Made Me“ oder „Your Joy Is My Low“ schier zu platzen drohte. IAMX gönnten dem Publikum wenig Ruhe und reihten lieber einen druckvollen Knaller an den anderen. Ihre Mischung aus hartem Dark Wave und modernstem Synth-Pop erzielte den vollen Effekt. Es sagt viel über die Gruppe aus, dass mich dieses Konzert so umgeworfen hat – zuletzt sah ich sie nämlich noch vor wenigen Monaten im KiFF. Doch wenn während 90 Minuten die Musik über allem dröhnte, die Videoschirme unablässig verstörende Bilder zeigten und die Lichter schier konstant Photonen in die Fresse der Zuschauer hauten, dann war dies ein hochemotionales Miteinander. Chris Corner thronte mit seiner melancholischen und oft schreiend verzweifelten Stimme als Herrscher über uns allen. IAMX spielten nicht nur ein Konzert, sie eroberten und erschlugen.

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Yoko Ono – Yes, I’m A Witch Too (2016)

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Yoko Ono – Yes, I’m A Witch Too
Label: Manimal Vinyl Records, 2016
Format: CD
Links: Discogs, Künstlerin
Genre: Remix, Electro, Art-Pop

Und dann fallen sie doch um, eine nach der anderen, dabei sind die Gäste so lange vorsichtig um die Weinflaschen getanzt. Im Schein der Kerzen wurde es aber immer schwieriger, den Gegenständen auszuweichen – die Tanzschritte wurden unter den Batik-Shirts immer ausgefallener. Aber wenn die Wohnung musikalisch schon von verhexten Tanzliedern gefüllt wird, dann bleibt niemand stehen. Die Künstlerin, die bei allen irgendwie aneckt, ist wieder mit einem neuen Album zurück – und liess sich für „Yes, I’m A Witch Too“ erneut auseinandernehmen und frisch abrichten.

Das beginnt schon beim Cover, denn die Fotografie ist nur eine doppelte Kopie von Yoko Ono selber. Die Musikerin hält sich auf der Platte im Schatten der Scheinwerfer auf und überlässt die Führung einer bunt durchmischten Truppe. 17 Lieder wurden für die Neubearbeitung freigegeben, von weltbekannten Künstlern wie Moby und Sparks bis zu Geheimtipps wie tUnE-yArDs findet man alles. Und genau so abenteuerlich wie die Namensliste ist auch die Bandbreite der Stile. Beginnt die Zusammenstellung mit einer entrückten Streicherballade, endet sie in einem wilden Technobrett. Dies sorgt nicht nur für Überraschungen, sondern auch für Momente der Verwirrung. Sicherlich gehört es zu Yoko Ono, dass ihre Musik nicht simpel und einfach erfassbar daherkommt. Doch die allgemeine Krankheit der Compilations zieht auch bei „Yes, I’m A With Too“ ins Land. Nicht alles überzeugt, die Reihenfolge ist teilweise holprig. Gewisse Lieder vergisst man gleich beim Anhören, andere scheinen nur noch nach den Remixer zu klingen und vergessen die Meisterin schier ganz.

Bei Yoko Ono gilt immer der gleiche Grundsatz: Entweder gibt man seine Aufmerksamkeit und Geduld komplett in die Hände der Dame oder lässt es gleich komplett bleiben. Somit ist diese Scheibe vor allem für begeisterte Freunde, wenn auch hier laut zum Tanz aufgerufen wird. Das Album setzt sich zwar nicht ganz zwischen die Stühle, bleibt aber auf den Lehnen und grinst schief. Und lässt leider in vielen Inkarnationen die extrovertierte und experimentelle Ader der Originale vermissen. Da haben es sich gewisse Musiker und Bands etwas zu einfach gemacht. Vor dem Kauf reinhören wird empfohlen.

Anspieltipps:
Give Me Something (mit Sparks), Warrior Woman (mit tUnE-yArDs), Hell In Paradise (mit Moby)

Shilf – Revisited (2016)

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Shilf – Revisited
Label: Irascible, 2016
Format: CD
Links: Facebook, Band
Genre: Rock, Alternative, Lo-Fi

Wird eine Genre-Bezeichnung nicht absurd, wenn sie eigentlich auf geografische Gebiete bezogen ist? Genauer gesagt ist Americana eigentlich eine Form des melodienstarken Rock, welche aus den Staaten kommt. Doch nun schwappt diese Musik nach Europa über und nistet sich in der Schweiz ein, präzise bei der Band Shilf. Heisst es nun „Switzerlanda“? Wie auch immer, die neuste Platte der Gruppe versucht dies zwar nicht zu erklären, gräbt aber tief in der Vergangenheit von Shilf und bringt bekannte Lieder in neuen Gewändern zurück ans Licht.

Der Name ist somit Programm, denn hier werden alte Taten besucht und neu aufgenommen. Es spielt keine Rolle, ob man seit Jahren die Band verfolgt oder erst jetzt dazu stösst – „Revisited“ ist ein toller Überblick und in sich geschlossenes Werk. Nie hat man das Gefühl, hier eine Zusammenstellung zu hören – allem haftet der hübsche Lo-Fi Charme an. „Revisited“ wurde an einem Wochenende live aufgenommen und atmet frei. Obwohl Shilf mit ihrer Musik im Grunde genommen das Rad nicht neu erfinden, wirkt ihre Leistung gross und eine starke Anziehung entsteht. Viele Lieder beschränken sich auf eine Idee, kosten aber diese lange aus und formen um.

Schleppende Gitarrenriffs, tänzelndes Schlagzeug oder hübsche Farbflecken einer Orgel, alles sitzt fest im Sattel. Nebenan reiten Freunde, wie bei „Out For Food“, das sofort an Wilco verweist. Die Saiten lärmen, alles scheint jeden Moment zu explodieren. Shilf beschränken sich zwar auf das Grundgerüst einer Band, erreichen aber eine intensive Atmosphäre. Die Schweizer Herkunft drückt ab und zu doch durch, gerade beim Gesang und der Phrasierung fühlt man sich immer wieder an Bands wie The Pride erinnert.

Mit dieser lockeren und schnell eingespielten Platte haben sich Shilf ein Geschenk gemacht. Der alternative und verruchte Rock zeigt Anspruch, mischt sich mit einer Slacker-Haltung und kitzelt sogar etwas Country aus den Instrumenten. „Revisited“ ist ein Album, dass sich immer gut anhört und überall wunderbar hören lässt. Da fühlt sich das kleine Land in Europa gleich etwas wärmer und staubiger an – Ziel erfüllt.

Anspieltipps:
Out For Food, Mahogany Box, Make A Sound

Hans Zimmer & Junkie XL – Batman v Superman OST (2016)

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Hans Zimmer & Junkie XL – Batman v Superman Dawn Of Justice OST
Label: WaterTower Music, 2016
Format: Doppel-CD in Digipak, mit Booklet und Poster
Links: Discogs, Hans Zimmer, Junkie XL
Genre: Soundtrack, Klassik, Electronica

Subtil ist anders, allerdings kann man beim grössten Gladiatorenkampf der Menschheitsgeschichte auch nicht mit kleiner Hitze kochen. Das Aufeinandertreffen des dunklen Ritters mit dem Ausserirdischen wird gross, wild, laut. Nicht nur die Trailer versprechen dies, sondern auch das Filmbudget und die Filmmusik. Gleich zwei Komponisten wagten sich an die Vertonung dieses epischen Kampfes und präsentieren das Aufeinandertreffen von Licht und Schatten auch in klanglicher Form. Vorhang auf für die Musik von „Batman v Superman – Dawn Of Justice“.

Hans Zimmer sollte jedem bekannt sein, der sich schon einmal mit Filmmusik befasst hat. Der Mann gehört zu den gefragtesten und besten Komponisten in Hollywood und hat bereits bei der „The Dark Knight“-Trilogie von Christopher Nolan mitgewirkt. Für die Neuinterpretation von Batman sowie dessen Konflikt mit Superman, holte sich der Deutsche Unterstützung bei Junkie XL. Doch anstelle die Musik nun bewusst in eine Richtung driften zu lassen, haben die Herren eine wilde Mischung aus Klassik, Electronica und Techno gewagt. Selten bleiben die Klangwelten so ruhig wie bei „Day Of The Dead“ – oft krachen die Streicher mit den Beats zusammen, der Chor erhebt sich wie damals beim dunklen Monolith in „2001“ und alles wird laut und wuchtig. Man vernimmt sogar elektrische Gitarren in diesem Soundgewitter. Wobei oft alles so überlebensgross wird, dass einzelne Instrumente nicht mehr auszumachen sind. Aber genau dies versprüht einen grossen Reiz – besonders dann, wenn die Elektronik alle Spuren kapert und diese verfremdet und zerstückelt. Synths und Computer greifen über und rauschen, knacken und knistern – nur die Trommel und Bläser überleben. Alles wirkt anders und modern – man spürt schon fast die Fausthiebe, welche zu den Arrangements ausgetauscht werden.

Die Musik zu „Batman v Superman“ ist eine kraftraubende Angelegenheit. Die Stücke pendeln zwischen den Extremen, ohrenbetäubende Ausbrüche ziehen sich über Minuten hin. Trotzdem findet man Sprachen für die einzelnen Figuren und eine stimmungsvolle Atmosphäre. Was sich anschickt, einer der grössten Filme in diesem Jahr zu werden, kann nur von solchen Superlativen untermalt werden. Schön, dass sich die beiden Künstler gegenseitig angestachelt und aus ihren Panzern herausgeholt haben. Gerade Hans Zimmer tut dies immer wieder sehr gut.

Anspieltipps:
Day Of The Dead, Do You Bleed, Is She With You?, Men Are Still Good (The Batman Suite)

Underworld – Barbara Barbara, We Face A Shining Future (2016)

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Underworld – Barbara Barbara, We Face A Shining Future
Label: Universal, 2016
Format: CD
Links: Discogs, Band
Genre: House, Techno, Electronica

Schaut nach vorne, nicht zurück – da erwartet uns eine schillernde Zukunft und Wohlstand. Und lange musste man von diesem Moment träumen, der scheinbar nie eintreffen wollte. Sechs lange Jahre liegen zurück, seit das englische Duo Underworld ihr letztes Album auf die Welt brachte. „Barking“ überraschte damals mit ungewohnter Popnähe und vielen Produzenten. Jetzt endlich ist aber die neuste Scheibe von Rick Smith und Karl Hyde da – und wieder genau so, wie man es sich von den Herren wünscht. Stimmungsvoll, treibend, faszinierend.

Wie schon immer beweisen Underworld auch mit „Barbara Barbara, We Face A Shining Future“ Geschmack. Das beginnt bereits bei der Gestaltung und dem Cover, dem Albumtitel und natürlich den Lyrics. Karl Hyde weiss einmal mehr seine Texte mit wenigen Sätzen und Wortreihen interessant zu gestalten und perfekt in die Musik einfliessen zu lassen. Die Symbiose aus Stimme und Synths ist perfekt, keine andere Gruppe aus dem elektronischen Bereich kann ihnen das Wasser reichen. Natürlich geht diese Perfektion auch weiter bei den Harmonien, Melodien und Beats. Ob wild verzettelt wie in „I Exhale“, sehnsüchtig schwelgend bei „Nylon Strung“ oder völlig abdriftend in „Santiago Cuatro“ – Underworld erreichen auf diesem Album eine wahnsinnig hypnotische Mischung. Stimmungswelten voller Klangflächen, Ambientwolken und mitreissende Rhythmen. Das Duo legt hiermit eine der besten House / Techno Scheiben seit langem vor, und wohl zugleich auch ihre eigene beste Arbeit seit sehr, sehr langem. Das Album spielt mit Referenzen an die Vergangenheit der Gruppe, ist aber immer modern und progressiv.

Mit ihrem neusten Werk haben es Underworld wieder einmal geschafft und ein vereinnehmendes Stück elektronische Musik erschaffen. Somit muss man nicht lange träumen und hoffen, „Barbara Barbara, We Face A Shining Future“ macht die Gegenwart wunderschön und glänzend. Fantastisch durchdacht, ausgeführt und aufgenommen. Die sieben neuen Lieder machen glücklich und beweisen: Underworld sind die besten, bleiben die besten, sind für immer.

Anspieltipps:
I Exhale, Slow Burn, Nylon Strung