Monat: Mai 2014

Live: Sivert Høyem, Komplex Club Zürich 14-05-29

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Sivert Høyem, Support: Abu
Donnerstag 29.05.2014
Komplex Club, Zürich

Es kommt ein schlanker, schmächtiger Mann mit Glatze auf die Bühne und packt die Gitarre mit festen Händen. Ein kurzer Blick über das Mikrofon hinaus in das Publikum, die Augen wandern durch die Gesichter. Warm ist es, schon jetzt, und dabei beginnt er erst. Das Licht wird ein wenig heller und er holt tief Luft, schlägt den ersten Akkord an und beginnt zu singen:

Das Lied endet, der Saal verharrt kurz in Stille. Doch nach dem Unglauben kommt die Freude, ein tosender Applaus durchbricht die Stille und der Mann auf der Bühne nickt dankend und bewegt sich kurz vom Mikrofon weg um mit seiner Band das nächste Lied anzustimmen. Ab jetzt kennt die Darbietung kein Halten mehr, der eher düstere und melancholische Rock mischt sich mit Blues, Country, Singer-Songwriter und elektronischen Ergänzungen. Sivert Hoyem und seine Band spielen sich selbst und das Publikum in einen Rausch der niemals enden sollte. Ein Fluss entsteht der auch von älteren Songs aus dem Arsenal der Band Madrugada nicht gebremst wird. Der Nebel verdichtet sich, der Schweiss beginnt zu fliessen. Oder sind dies doch Freudetränen voller Glückseeligkeit und Wunder? Uneinigkeit ist kein Nachteil, verbindet sich das Publikum und die Band bald zu einem Ganzen. Und nach 2 Stunden verlässt der Mann mit den letzten Klängen von „The Kids Are On High Street“ die Bühne aber nie die Herzen der Zuhörer.

Dass Abu zuvor die Bühne warm gespielt hat ist leider jetzt vergessen, aber die tollen Lieder im Stil von Chuck Ragan oder Frank Turner verdienen es im Hinterkopf behalten zu werden. Eindrücklicher wäre es aber als volle Band, nicht nur mit Gitarre und Stimme. Das nächste Mal dann?

(Warum ist dieser Bericht so kurz? Für die Musik von Sivert Hoyem finden sich keine Worte. Und wenn ihr von seinen Lieder und der Stimme nicht überzeugt seid kann ich auch mit meinen Worten nichts ausrichten.)

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Paris XY – EP002 (2013)

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Paris XY – EP002
Label: Eigenveröffentlichung, 2013
Format: CD
Links: Bandcamp, Band
Genre: Electro, Minimal, Techno

Das junge Duo aus Leeds wurde auf diesem Blog schon in einem Kurzportrait vorgestellt (hier zu finden), trotzdem möchte ich euch eine Kritik zur aktuellen EP nicht vorenthalten. Paris XY widmen sich mit ihrer dynamischen Musik dem intelligenten Electro. Ihre Songs mischen Einflüsse aus Trentemøller, Gus Gus oder The Knife, verfügen aber doch über genügend Eigenständigkeit um sich aus der Masse heraus zu heben.

Den grössten Verdienst trägt dabei die Stimme vom Alice Smith. Die junge Frau singt ausdrucksvoll in tieferen Lagen und intoniert dabei ihre selbst geschriebenen Texte und skizziert spannende Bilder. James Orvis steckt hinter dem Grossteil der Musik und produziert die Lieder in seinem Heimstudio. Dabei fällt angenehm auf, wie klar die Synthies und Beats erklingen. „Vigil“ knistert intensiv und verführt mit Gitarrenakkorde, „Panic Attack“ ballert direkt in die Magengegend aber ohne stupide zu sein. Vor den grossen Acts muss man sich auf keinen Fall verstecken. Mit Liedern wie „The Trial“ kann sich der Hörer wieder entspannen und freut sich jetzt schon diesen Song mal auf dem Nachhauseweg von einer langen Clubnacht zu hören.

Etwas unnötig, oder besser gesagt aus der Reihe springend, ist das Little Dragon Cover „Twice“. Zu fröhlich die Grundlage, zu anders die Ausführung. Sicherlich ist es ein netter Bonus, die EP wäre aber ohne diesen Zusatz runder. Das neuste Lied auf der EP ist „The Return“ und verbindet all die erwähnten Elemente zu einem grossen Track. Wenn Paris XY weiterhin auf dieser Basis aufbauen und noch ein wenig mehr am eigenen Stil schrauben, steht uns 2015 ein super Debüt-Album bevor. Die dazugehörige Europatour folgt dann auch und ihr Blogleser werdet natürlich informiert.

Anspieltipps:
Vigil, Panic Attack, The Return

Die! Die! Die! – Harmony (2012)

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Die! Die! Die! – Harmony
Label: Golden Antenna, 2012
Format: Vinyl mit Downloadcode
Links: Discogs, Band
Genre: Post-Punk, Noise, Indie

Nach dem tollen Album „Form“ aus 2011 brachten die Neuseeländer im darauf folgenden Jahr bereits das neue Werk „Harmony“ in die Plattenläden. Wie beim Vorgänger ist auch hier die Musik eine zappelnde Mischung aus Noise, Punk, Pop und Psychedelic. Unruhig wackeln die Songs an ihrem Platz und sind kaum im Zaun zu halten. Alles an der Musik scheint überaktiv zu sein, kein Wunder dauert das Album nur knappe 38 Minuten. Genügend Zeit um aber Die! Die! Die!-typische Momente dem Zuhörer vor die Füsse zu werfen. So wirbeln die Gitarren was das Zeug hält, das Drum scheppert und die Stimmen hetzen um die Klänge rum.

Fehlen dem Album diesmal die sofort hängen bleibenden Hits wie „Caseman“ auf Form, ist das Gesamtniveau hier dafür mehrere Stufen höher. Das Songwriting hat die Band noch einmal verbessert und erschafft kompakte Welten. Weiterhin bleibt die Produktion minimalistisch und klingt teilweise sogar billig, hat aber bei der Musik seine Richtigkeit. Es rumpelt und die Song ecken an jeder Kante an. Man will nicht allen gefallen, denn im Radio werden solche Lieder bei uns sowieso nicht gespielt. Was neu ist: Der Gesang von Andrew Wilson ist mehrheitlich klar abgemischt, somit die Texte verständlicher. Ein spannender Gegensatz zur wilden Musik. Dies macht die Lieder aber nicht einfacher, es ist schon ein wenig mit Arbeit verbunden das Album zu erfassen.

Trotz allen Hürden ist „Harmony“ das bis jetzt reifste und kompletteste Werk der Band. Sicherlich kann man den Mannen vorwerfen sich langsam Richtung Mainstream zu bewegen, aber sie bleiben genügend sperrig und machen weiterhin viel Spass. Bis ihre Lieder auf Youtube Millionen von Klicks erhalten ist es noch ein weiter Weg, der auch gar nicht beschritten werden will. Ich bin gespannt wie das diesjährige Werk „S W I M“ wird.

Anspieltipps:
Oblivious Oblivion, Trinity, Changeman

Coldplay – Ghost Stories (2014)

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Coldplay – Ghost Stories
Label: Parlophone, 2014
Format: Vinyl im Gatefold, Downloadcode
Links: Discogs, Band
Gerne: Pop, Dance, Ambient

Coldplay waren immer am besten, wenn sie traurig waren. Man vergleiche hierbei nur mal beispielsweise das melancholische „Yellow“ mit dem zu fröhlichen Popsong „Paradise“, da liegen Welten dazwischen. „Mylo Xyloto“ hat bei mir deswegen nie Anklang gefunden, daher war ich eher skeptisch als „Ghost Stories“ angekündigt wurde. Dann aber war als erster Song „Midnight“ im Internet als Video erhältlich und man höre und staune: Coldplay spielen sphärischen Ambient der eher Brian Eno zugeordnet wird als dieser Stadionband. Natürlich klingt nicht alles im Album wie die erst Auskopplung, trotzdem ist das neuste Werk ein grosser Schritt zurück zur alten Grösse.

Grundthema des Albums ist die Verarbeitung der Trennung von Chris Martin und Gwyneth Paltrow, also Lieder über Liebe, Schmerz und Beziehungen. Das ist nichts neues für die Gruppe, wird aber hier wieder in wunderbaren Songs mit tollen Texten dargeboten. Schon die Eröffnung mit „Always In My Head“ lässt einem genauer lauschen und gefällt sofort. Musikalisch ist die englische Band noch elektronischer geworden, Keyboards und Electrodrums beherrschen das Klangbild, die Gitarren schweben auf Wolken. Wie gut die Band mit diesen Elementen umgehen kann zeigt sich bereits beim zweiten Song „Magic“. Der Anfang mit Bass und Drum lassen einem aufhorchen, wenn der Gesang einsetzt nimmt auch das bekannte Coldplay-Gefühl im introvertierten Stück Platz, sehr gross.

Obwohl in gewissen Momenten das Ganze sehr nahe am üblen Kitsch vorbeischrammt (so ist „A Sky Full Of Stars“ doch nur Kirmeshouse mit Gesang?) ist das Album ein wunderbar schönes Werk mit gesunder Melancholie geworden. Die zweite Seite kann nicht ganz mit der ersten mithalten, das fällt aber nicht weiter ins Gewicht. Gerade auch deswegen, dass zwischen den Songs gerne mal noch weitere Ambientmomente versteckt sind und es die Band weiterhin versteht, Streicher und Effekte gelungen einzusetzen. Sehr schön auch, dass am Ende von „O“ der Kreis geschlossen wird und nochmals die anfangs gespielten Synthieakkorde erklingen. Eine runde Sache, so kann es mit der Band gerne noch viele Jahre weiter gehen.

Anspieltipps:
Always In My Head, Magic, Midnight

EMA – The Future’s Void (2014)

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EMA – The Future’s Void
Label: City Slang, 2014
Format: Vinyl mit Lyric-Sheet und Downloadcode
Links: Discogs, Musikerin
Gerne: Industrial, Noise, Punk, Electronica

Erika M. Anderson beschäftigt sich in ihrer Musik gerne mit der aktuellen Lage unserer Welt. Waren es auf dem Debüt noch Geschichten wie Momentaufnahmen, gibt es jetzt eher allgemeine Beobachtungen über die neue digitale Zeit. Ein schwieriges Thema, erscheint gerade in Songtexten das Behandeln von Beschäftigungen wie Selfies schiessen oder Internetsurfen schnell plump. EMA hat aber genügend Aufwand in die Texte gesteckt um nicht in Klischeefallen zu tappen. „when everybody’s lookin / it’s supposed to be a dream / but disassociation, / i guess it’s just a modern disease“ Aber auch andere Themen finden Beachtung, so ist „So Blonde“ ein Kurzportrait einer jungen Frau welche sich in der Grossstadt durchkämpfen muss. Die Musik dazu ist tief aus den 90er, giftiger Grunge der rumpelt und verletzt.

Der Rest bleibt musikalisch in bekannteren Gebieten, EMA mischt auch auf dem zweiten Album Industrial, Post-Punk und düstere Electronica zu zäher Batteriesäure. Dabei bleibt das Album immer in den dunklen Ecken der Musikwelt, es fährt wie Schleifpapier über die Haut und gibt dir gerne eine Ohrfeige. Krumme Beats, verzerrte Vocoder-Stimme, tiefe Gitarrenakkorde. Die Musik scheint aus deinen Albträumen zu stammen. Ich selber mag die Mischung hier besser als auf dem Erstling, sie ist eingängiger und man hört die Songs gerne wieder.

Der Abschluss mit dem sehr kuriosen „Dead Celebrity“ zeigt noch einmal wie interessant EMA arbeitet. Das Lied ist wie eine Nationalhymne aufgebaut, sogar Explosionen von Feuerwerk sind hörbar. In der heutigen Zeit werden im Internet verhältnismässig unwichtige Dinge wie Berühmtheiten stärker gewertet als wirkliche Probleme, Erika will dies nicht und zeigt es auf. Nie aussichtslos aber auch nicht beschönigend, die Wahrheit tut schliesslich immer etwas weh.

Anspielttipps:
Satellites, 3Jane, Smoulder

LCD Soundsystem – The Long Goodbye (2014)

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LCD Soundsystem – The Long Goodbye Live At Madison Square Garden
Label: Warner Bros Records, 2014
Format: 5fach Vinyl in Schuber, mit Downloadcode, RSD
Links: Discogs, Band
Genre: Alternative, Dance, Electronica, Punk

LCD Soundsytem fegten während 10 Jahren wie ein Wirbelsturm durch die Musikwelt. Das Kollektiv rund um den Gründer James Murphy veröffentlichte zwar „nur“ drei Alben und drei EPs während ihrer Karriere, schufen aber grandiose Musik die man so noch nie gehört hatte. Kritiker liebten ihre Werke, die Fans ebenso und während wenigen Jahren waren sie die beste Band aus dem Alternative-Underground in den USA. Nachdem 2010 das dritte Album „This Is Happening“ veröffentlicht wurde hiess es wenige Monate später: LCD Soundsystem werden sich im April 2011 auflösen. Schock! Die letzte Möglichkeit die Band noch live zu erleben war das Abschieskonzert im Madison Square Garden. Selbstverständlich wurde der Anlass für die Nachwelt festgehalten und nebst Stream-Übertragung auch auf DVD veröffentlicht. Jetzt drei Jahre später als Sonderpressung für den Record Store Day erschien das Konzert nun ungeschnitten als Vinyl-Boxset.

Das Konzert ist ein Monster: 28 Lieder in über drei Stunden, verteilt auf zehn Vinylseiten, ungeschnitten und extra für Vinyl gemastert. Die Verpackung ist wunderbar aufgemacht, die fünf Platten haben eigene Hüllen und Innenhüllen und können im edlen Schuber verstaut werden. Eine RSD-Veröffentlichung die auch wirklich exklusiv ist und sich lohnt ins Regal zu stellen, somit als mit der Musik mithalten kann. Klar werden für ein Abschlusskonzert die Perlen ausgepackt und auch Murphy liess sich nicht lumpen. Startet das Konzert schon grandios mit „Dance Yrself Clean“ und „Drunk Girls“ bietet es auch bald Hits wie „Daft Punk Is Playing At My House“ oder „Sound Of Silver“. Eigentlich ist jeder Song super, wir sprechen schliesslich über LCD Soundsystem. Musik wie von ihnen gespielt gab es zuvor und wird es nach ihnen nie mehr geben. Die sehr eigene Mischung aus Dance, Disco, Alternative, Electronica und Punk welche immer wabernd und blubbernd die Lieder aufbaut. Meistens dauert ein Stück etwa sechs bis zehn Minuten, die Band hat genügend Zeit Schichten um Schichten an Musik aufeinander zu legen und den Hörer in Trance zu versetzen.

Auch Medleys spielt die Band, so geht Freak Out direkt in Starry Eyes über oder die Band spielt Songs nahtlos. Allgemein fliessen die drei Stunden gleichförmig vorbei, keine Längen oder langweilige Stellen entstehen. Zwischendruch drückt der Punk stärker durch und zerschmettert die Electronica-Wellen in tausend Scherben, um zugleich wieder von Synthies weggedrängt zu werden. Teilweise sind auch Gäste auf der Bühne wie Arcade Fire. Das allerletzte Lied welches LCD Soundsystem je live gespielt haben ist natürlich „New York I Love You But You’re Bringing Me Down“, welchem eine sehr emitionale Ansage voransteht. Auch als Hörer der Platte hat man hier das Gefühl die Energie des Abends überträgt sich in den eigenen Körper als ob man dort im 2011 wäre, besonders wenn einem bewusst wird das jetzt nie mehr neue Musik von der Band erklingen wird. Sehr schade, aber ein würdiger Abschluss für die Kurze und intensive Karriere.

Das Konzert wird übrigens nie auf CD oder als Download angeboten werden, diese Zeiten seien vorbei. Somit bleibt die einzige Möglichkeit dieser Abschluss geniessen zu können auf Suche im Plattenladen zu gehen.

Anspieltipps:
I Can Change, Get Innocuous, North American Scum

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Live: Moscow Mule / Bell Baronets, Planet Z Zofingen, 14-05-24

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Moscow Mule, Bell Baronets
Planet Z, Zofingen
Samstag 24.05.2014

Witzig, meine Heimatstadt Zofingen zählt knappe 11’000 Einwohner und ist eher konservativ geführt und eingestellt. Trotzdem ist der Ort ein nahrhafter Boden für erstaunlich viele tolle Bands. So konnte man am am Samstag Abend zwei frische und junge Truppen begutachten und über das Talent der Leute staunen. Der Anlass Mic Check 1 2.. im Jugendtreff Planet Z bietet Jugendlichen die Gelegenheit ihr musikalisches Können unter Beweis zu stellen. Dabei durfen auch zwei Truppen spielen die sich schon in der Szene etabliert haben:
Als zweitletzte Gruppe spielten Bell Baronets ein kurzes Set voller Kracher. Die drei Jungs haben ihre eigene Mischung von Indie Blues-Rock gefunden, geschickt werden Blues-Schemas mit modernen Rhythmen gemischt. Silvan Gerhard schreibt die meisten Songs der Band und zeigte auf seiner Gitarre grosses Talent. Wie seine Vorbilder spielt er nicht einfach, er lebt das Instrument. Auch hinter dem Kopf, mit dem Mund oder rasend schnell drückt er die Klänge aus den Saiten und wirkt immer locker. Da könnte sich noch so mancher Profi eine Scheibe von abschneiden. Auch der Rest der Band ist super, hielten sich aber eher zurück mit den Showeinlagen. In der Mitte des Sets wagten sich Bell Baronets ins Publikum und sangen ohne Verstärker, eine tolle Abwechslung. Nach 35 Minuten hiess es Schluss, die kurze Zeit reichte aber um alle Menschen im Saal restlos von ihrer Musik zu überzeugen. Von der Band wird man noch lang hören.

Den Abschluss des Abends durften Moscow Mule gestalten. Mit ihrem mitreissenden Gebräu aus Rock mit Abgründen und Post Punk versetzten sie die Zuschauer auf einen neuen Planeten. Nachdem ich die Band nun schon mehrmals live erlebt habe war ich erstaunt welch grossen Sprung die 4 Musikerinnen und Musiker gemacht haben. Waren sie in letzter Zeit viel mit dem Einstudieren von neuen Liedern beschäftigt, kam jetzt deren Live-Erprobung. Den neuen Liedern merkte mal sofort an, dass die Band ihren Stil immer mehr findet und sich eine Nische geschaffen hat in denen es ihnen wohl ist. Natürlich sind auch die neuen Songs keine gradlinigen Stücke sondern schlagen Haken, bauen sich meterhoch auf, brechen tosend zusammen oder grooven auf eine krumme Art. Das Zusammenspielt blieb dabei immer auf höchstem Niveau, beachtlich bei der Komplexheit gewisser Lieder. Das Publikum tanzte und war begeistert, als Zugaben wurden noch ältere und bekannte Songs dargeboten womit dann auch der allerletzte Zuhörer zufrieden gestellt wurde. Hoffentlich gibt es bald eine Möglichkeit die Band auch zu Hause anhören zu können. Ihre Musik hat es verdient verbreitet zu werden.

Der Abend war eine gelungene Angelegenheit und auch Lena oder Fanta 3 konnten mit ihrer Musik überzeugen. Schön gibt es nebst all denn Clubschliessungen noch Orten wo Musik und Kultur lebt und gefördert wird. Gerade die beschriebenen Bands zeigen wie viel man verpassen würde wenn es keine Plattformen mehr gibt. Darum: Unterstützt das Jugendkulturlokal in Zofingen.

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Live: MANIfique, Alass Zofingen 14-05-16

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MANIfique
Alass Zofingen
Freitag 16.05.2014

Mani Matter war, ist und bleibt in meinen Augen der grösse Liedermacher der jemals in der Schweiz existiert hat. Seine Lieder sind bis heute wichtiges Kulturgut, gegenwärtig und die Texte immer noch aktuell. Keiner vestand es einfache Sätze auf Schweizerdeutsch so genau und effektvoll zu arrangieren und mit kongenialen Gitarrenakkorde zu verbinden. Verständlich, dass auch heute seine Lieder noch gerne gehört und gespielt werden. Im Fall des Trios MANIfique erhalten die Stücke eine weitere Ebene durch zusätzliche Instrumentierung und Erweiterung der Musik. Die drei Mannen spielen seit zehn Jahren in wandelnder Formation die Songs des Troubadour und haben sie gewissermassen zu Eigenen gemacht.

Nebst dem Gesang und Gitarrenspiel von Simon Achermann werden die Lieder mit dem Cello von Michael „Willi“ Wilhelm und der Perkussion von Lukas von Büren intoniert. Die Musiker erreichen dabei oft was unmöglich scheint: Sie verbessern die Stücke von Matter mit ihrem Spiel und gestalten daraus Werke für eine Band. Das funktioniert meist grossartig, werden wie beispielsweise in „Dynamit“ effektvolle Geräusche erzeugt welche die Spannung und das Drama erhöhen. Pauken schlagen, Trauer wird verbreitet, wichtige Textstellen unterstrichen oder tosender Lärm erzeugt. Das Konzert wird somit fast ein Hörspiel, die Lieder werden kurze Theaterstücke. Besonders beeindruckt war ich von den Fähigkeiten des Drummers. Es grenzt schon fast an Zauberei wie viele Geräusche und Klänge er aus den Trommeln und Zusätzen rausholt, die Instrumente leben.

Schön wurden die Lieder mit kurzen Ansprachen vorgestellt, erörtert oder die Wahl begründet. So passt der Alpenflug natürlich gut zur Gripen-Abstimmung, andere Lieder werden leider die Aktualität ebefalls nie verlieren. Aber nicht alles war politisch, so fanden auch witzige Lieder wie „D’Nase“ oder „Chue Am Waldrand“ im Set Platz. Nach 90 Minuten war eindeutig klar, dass es momentan keine bessere Art gibt die wunderbaren Lieder von Matter live zu hören. Das Trio spielt fantastisch und macht auch 1000 Mal gehörte Songs wieder interessant und entdeckbar. Eine echte Empfehlung!

Live: The Bass Master Projekt, Bärenkeller Aarburg 14-05-15

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The Ghost Rock Ensemble, RDA-4
Bärenkeller Aarburg
Donnerstag 15.05.2014

Was für ein Horror! Seit den 70er Jahren hat sich das Genre um Zombies, Geister und Schrecken sehr gewandelt. Waren es früher noch eher langsame und psychologisch schockende Filme sind es heute Folterpornos voller Blut und Spezialeffekten. Am meisten veräandert hat sich aber die musikalische Untermalung solcher Streifen. Eigentlich ist es fast unvorstellbar wie das damals funktionierte, denn die Musik war damals eine wilde Mixtur aus Jazz, Prog Rock und viel Psychodelic. Gebraucht wurden nicht nur klassische Rockinstrumente sondern Orgel, Synthies, Streicher und Bläser. Die Songs erzählten eigene Geschichten und verstanden es die Filme um neue Schichten zu erweitern. Jonas Lüscher hat sich dies nun zu eigen gemacht und für seine Masterarbeit Songs von diversen Band neu arrangiert und mit elf Mitmusiker eingespielt.

Live präsentiert sich The Ghost Rock Ensemble als Rockband mit grosser Bläsersektion. Seien es Lieder von Goblin, Enio Morricone oder Fabio Frizzi, die Band spielt die sehr komplexen und wechselreichen Lieder frisch und gekonnt. Für den Zuschauer ist es manchmal keine einfache Aufgabe die Strukturen der Lieder zu erfassen (Stichwort 21/16 Takt), wer aber mit solcher Musik etwas anfangen kann ist schnell fasziniert. Spannend ist dabei auch festzustellen wie unterschiedlich die Musiker an die Materie gingen, die Musiker erreichen es alle Feinheiten präzise zu spielen. Solos finden ebenso Platz wie heftige Rockattaken oder fesselnder Gesang. Jonas Lüscher komponierte zu diesem Projekt auch ein eigenens Lied geschrieben welches sich am Cthulhu-Mythos anlehnt. „The Curse“ ist ein Lied voller Wechsel, von ruhigem Start zu wildem Schluss und muss sich nicht vor den Vorbildern verstecken. Sehr beeindruckt war ich auch von seinem Bassspiel, der Mann hats drauf!

Als zweite Band spielte RDA-4, das Projekt von Bassist Romano D’Agostino. Die vier Mannen bewegten den Sound weg vom Horror hin zu intensivem Jazz. Voller Inbrunst und Wucht spielten sie mit Bass, Schlagzeug, Keyboard und Saxophon packende Songs mit viel Solostellen. Unglaublich was die Musiker drauf haben, ich wage mal zu behaupten, dass ihnen noch eine grosse Zukunft bevor steht. Leider ist Jazz nicht mein Lieblingsgenre, ich war aber trotzdem sehr positiv überrascht, besonders da es sich alles um Eigenkompositionen handelt. Witzig ist dabei, dass D’Agostino viel Zeit und Energie in die Musik steckt aber dabei leider keine Momente findet um den Songs Titel zu geben. So spielte die Band halt Track 4, Ohne Titel oder Insert Titel 1. Ein gelungener Abend voller Jazz, Horror und Töne. Der Bärenkeller bot ein passendes Ambiente mit seinem Gewölbe.

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Starkus Meiner – Time For Little Pieces And Catchy Melodies (2014)

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Starkus Meiner – Time For Little Pieces And Catchy Melodies
Label: Selbstveröffentlichung, 2014
Format: CD
Links: Künstler, CD-Online
Genre: Singer-Songwriter, Pop

Oft wird gesagt, die heutige Jugend kümmert sich nicht; es werde nicht nachgedacht und nicht vorausschauend gehandelt sondern nur in den Tag hinein gelebt und blind folgend konsumiert. Gottlob stimmt das überhaupt nicht und noch besser gibt es immer wieder Menschen die Antreten um das Gegenteil zu beweisen. Das Album „Time For Little Pieces And Catchy Melodies“ von Starkus Meiner ist ein solcher Beleg für die interessierten Jugendlichen auf der Welt. Mit seinem ersten Album hat der junge Musiker aus Zofingen ein spannendes Werk vorgelegt das musikalisch zwischen Singer-Songwriter und Pop pendelt, dabei auch oft kurz den Rap streift. Die Texte werden in seiner eigenen Art von Sprechgesang mit viel Melodie dargeboten.

Für seine Musik sind die Texte sehr wichtig, die Inhalte bleiben dabei sehr persönlich. Sei es ein wunderschönes und tieftrauriges Lied an seine verstorbene Mutter oder Gedankengänge zu eigenen Wünsche und Verlangen, man leidet, lacht, fühlt, kämpft mit dem Künstler. Die Sätze und Reime sind knackig formuliert und erinnern mit ihrem Aufbau teilweise an Poetry Slam, auch wegen der gekonnten Verwendung von wenigen englischen Wörter. Aktuelle politische und soziale Brennpunkte interessieren ihn ebenfalls, das Leben ist schliesslich nicht nur Sommerabende auf dem Heitereplatz. Für mich als Zofinger ist es natürlich sehr schön werden aktuelle Missstände in der kleinen Aargauer Stadt angeprangert. Das Vernichten der Kultur; „Fegg de Limiter“ oder das Beschränken des Raumes für Jugendliche; „För mini Lüüt ond mini Generation“. Dabei ist Starkus nie belehrend oder überheblich, sondern zeigt Probleme auf und spricht Themen direkt ohne ein Blatt vor dem Mund an. Klar braucht es dazu gewisse Agressivität aber gerade das Lärmproblem ist ein Umstand der immer mehr Kopfzerbrechen macht, Lösungen zu finden liegt dabei nicht in der Aufgabe von Musiker sondern Politiker.

Starkus muss aber nicht alleine kämpfen wird er doch von vielen Freunden als Gäste unterstützt. Ein paar von ihnen stehen ebenfalls am Start einer Karriere und klingen vielversprechend. Das bringt noch mehr Abwechslung in die Songs welche immer locker und leicht bleiben. Wunderbare Gitarrenmelodien und -Akkorde treffen auf sanfte Pianoklänge oder Schlagzeugrhythmen ohne auch nur einmal überladend oder überproduziert zu sein. Ganz klar hat es den Liedern gut getan über Jahre zu reifen und mehrere Stadien bis zu ihrer endgültigen(?) Form durchzulaufen. Starkus Meiner hat mit seinem Debüt ein sehr reifes und tiefgründiges Album veröffentlicht welches ein Schlusspunkt an seine erste musikalische Phase setzt. Nur schade finden sich auf der CD keine Credits, wäre es doch spannend zu sehen wer hier was gemacht hat.

Anspieltipps:
Flüüge Devoo, Father And Son, To My Mother (Mo Ty Other)