Monat: Oktober 2015

Live: Sexy, Alass Zofingen, 15-09-19

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Sexy
Samstag 19.09.2015
Alass, Zofingen

In den späten Achtzigerjahren gab es in Seattle eine Band namens Mother Love Bone, welche als Blaupause für viele legendäre Gruppen wie Pearl Jam diente. Wirklich gross wurden diese Musiker dank ihrem Frontmann Andrew Wood, der auch kleinste Säle wie riesige Stadien bespielte. Genau ein solches Verhalten konnte man am Samstag Abend im Anlass in Zofingen bewundern, denn Sexy haben ihre erste Platte getauft.

Pascal Tallarico erinnerte mich mit seinem Rockstar-Verhalten mehr als einmal an Andy Wood und versetzte das ausverkaufte Lokal gleich von Beginn an in beste Stimmung. Der Sänger gab alles und bewegte sich auf der Bühne wie ein Weltstar. Ein passendes Verhalten, denn Sexy spielen ihren Hardrock nicht wie eine kleine Band aus der Schweiz, sondern wie ein Quartett mit Weltruhm. Grosse Gesten, knackige Riffs und ohrenbetäubende Lautstärke. Die Hits von ihrer Platte wurden allen um die Ohren gehauen und die Zuschauer spielten mit ihren Luftinstrumenten mit. Bier im Gesicht, auf dem Boden oder im Hals, egal, Hauptsache headbangen und tanzen.

Und eine Truppe wie Sexy lässt sich nicht lumpen, schliesslich besteht die Band aus alten Hasen im Zofinger Rockzirkus. So wurden für diese Taufe nicht nur alte Bekannte eingeladen, sondern Klassiker mit viel Wucht von Led Zeppelin und co. gecovert und alte Formationen wiederbelebt. Wer hätte schon gedacht, Hellmute noch einmal live erleben zu können? Oder plötzlich ein Lied von 3Six9 ins Gesicht geprügelt zu bekommen und das Konzert somit in den Wüstenrock abdriften zu sehen. Diese Abwechslungen machten nicht nur den Auftritt zu einer kurzweiligen Sache, sondern gab Bassist Kudi Heeg Gelegenheit sein Hemd zu wechseln. Die Temperatur stieg im Alass unaufhaltbar und bald wurde Pogo getanzt.

Sexy bewiesen, dass ihre Lieder nicht nur auf Vinyl sondern auch im live bespielten Raum hervorragend funktionieren. Die Licks von Rey Misterio, die Breaks und die Grooves von Pidi Criss – alles sass perfekt und sorgte für beste Stimmung. Erstaunlich, dass eine kleine Stadt wie Zofingen immer wieder solch talentierte Musikgruppen hervorbringt. Somit wurde es auch nach über zwei Stunden nicht zu viel, sondern eher zu früh fertig. Doch die Band hatte alles gegeben und erholte sich glücklich am Merchandise Stand und signierte die frisch verkauften Alben. Jedenfalls so lange, bis dann die gesamte Meute zur After-Party weiterzog und die Nacht noch lange nicht schlafen liess. Ein perfekter Abschluss für eine wilde und attraktive Plattentaufe. Es war, Achtung schlechter Wortwitz, eine sexy Sache.

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Dave Gahan & The Soulsavers – Angels & Ghosts (2015)

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Dave Gahan & The Soulsavers – Angels & Ghosts
Label: Columbia, 2015
Format: Download
Links: Discogs, Gahan, Soulsavers
Genre: Spiritual Rock, Blues

Kollaborationen kitzeln gerne die Höchstleistungen aus einzelnen Musikern heraus, denn man befindet sich in einem frischen Umfeld und wird nicht von den Zwängen der Band begrenzt. Dank dem Englischen Duo The Soulsavers darf auch Dave Gahan endlich wieder aufblühen und seine letzten, etwas missglückten Veröffentlichungen mit Depeche Mode vergessen machen. Seine wunderbare Stimme lebt neu auf und darf sich in einen Sessel pflanzen, der sich perfekt anschmiegt. „Angels & Ghosts“ gefällt bereits beim Erstkontakt und bleibt haften.

Das fünfte Studioalbum des Duos wirkt dabei nicht sehr neu, anders oder aufregend. Die Musik pendelt sich gleich beim ersten Lied „Shine“ zwischen Blues, Gospel und Rock ein und bleibt in dieser sonnenbestrahlten Gegend für die nächsten knapp 40 Minuten. Doch alle neun Stücke verfügen über eine sakrale Atmosphäre und brechen auch bei der Last des Gospels nicht zusammen. Chorgesang, euphorische Eruptionen der Instrumente oder sinnsuchendes Innehalten, die Wechsel der feinfühlenden und intensiven Stellen funktionieren wunderbar. Gahans Gesang trägt alle Mitspieler und Melodien zielsicher und weiss sein Organ divers einzusetzen. Da glänzen die Augen, eine solche Leistung hörte man schon lange nicht mehr. Am ehesten fühlt man sich an die DM-Hochphase von „Songs Of Faith And Devotion“ erinnert, wenn auch die Texte nie in solche dunkelschwarze, seelische Abgründe driften. Auf „Angels & Ghosts“ wird eher die Seite des Lichtes behandelt, Worte wie Engel, Gott und Erlösung findet man an jeder Ecke. Dieser Umstand stört aber keineswegs, denn obwohl Gospel eigentlich religiösen Gründen dient, kann man diese Platte auch als Lebensbejahung ohne gläubigen Hintergrund betrachten. Orgeln und Gitarren, alles schafft Flächen und festen Untergrund. Dave Gahan erscheint hier noch stärker wie ein Prediger, man hört gebannt zu.

Die Erleuchtung erfährt man durch die zweite Zusammenarbeit des Sängers und der Produzten zwar nicht, dafür fehlt dem Album der letzte Schritt zur göttlichen Grösse. Trotzdem, The Soulsavers wissen, wie sie ihre Lieder aufbauen müssen und wie sie Gäste korrekt einbinden. Dank der knackigen Laufzeit stösst die angewandte Formel nie sauer auf und man freut sich auf das goldene Herbstlaub. Mit warmen Herzen wird man da durchschreiten, die Ohren voller Wohlklang.

Anspieltipps:
Shine, Tempted, All Of This Or Nothing

a-ha – Cast In Steel (2015)

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a-ha – Cast In Steel
Label: Polydor / Universal, 2015
Format: Doppel-CD in Digipak
Links: Discogs, Band
Genre: Pop

Eigentlich weiss man es als Musikhörer ja besser, als die Aussagen der Bands für bare Münze zu nehmen. Somit verwundert es nicht, dass a-ha trotz ihrer Ruhestandsankündigung nach „Foot Of The Mountain“ nun mit ihrem zehnten Studioalbum um die Ecke kommen und noch einmal das Popradio erobern wollen. Einen wirklichen Gefallen machen sie der Welt dabei nicht, aber weh tun solche Lieder nie. Die Verlustwirkung hält sich somit in Grenzen, diese neuste Platte kann allen egal sein. Ein trauriges Schlussbild einer talentierten Gruppe.

„Cast In Steel“ beginnt eigentlich ganz OK, mit dem Titelsong und „Under The Makeup“ erhält man zwei hübsche Lieder, die Hoffnungen wachsen lassen und einem das Gefühl geben, a-ha seien tatsächlich aus kreativen Gründen zu einer weiteren Albumproduktion zusammengekommen. Diese Gedanken werden mit jedem Lied kleiner, und bei zwölf Stücken plus sechs Bonussongs bleibt am Ende nicht mehr viel Wohlgefallen übrig. Eher nervt man sich ab der Hälfte der Platte über Eigenschaften von a-ha, die man eigentlich immer mochte. Sänger Morten Harket variiert seine Stimme zu selten um den Gesang interessant zu machen, die Texte triefen nur so vor billigen Klischeesätzen und altbekannten Redewendungen. Sicherlich, bei diesem Musikstil wird vor allem auf die unscheinbare Unterhaltung und den einfachen Konsum abgezielt, eine tiefere Beschäftigung mit den Liedern sollte aber auch funktionieren. Hier schüttelt man oft nur den Kopf und hört bewusst weg. Dies wird durch die lahmen Songideen ebenso gefördert, die viele Lieder nicht einmal über drei Minuten zu tragen wissen. Sicherlich, die Produktion ist topp und zeitgemäss, die Instrumentierung mit vielen Keyboards und Effekten ausgestattet. Aber leider wagen es die Musiker aus Norwegen zu keinem Zeitpunkt, ihre Formel zu durchbrechen. Wo ist das progressive Element des Pop, wo sind die neuen Einfälle? Aus der anfangs noch angenehmen Zurückhaltung wird ein unwichtiges Geblubber.

Ungern schreibe ich Zeilen wie diese, aber mit „Cast In Steel“ haben sich a-ha keinen Gefallen getan. Ihre zweijährige Rückkehr geschah laut Eigenaussagen wegen neuem, würdigem Material. Während der Albumproduktion gingen dieses wohl verloren oder vergessen, denn das neuste Album ist einfach nur misslungen. Schade, dass sich eine Legende der 80er einen solchen Schlusspunkt in die Diskografie setzt. Leute, die gerne guten Radiopop hören, greifen besser überall sonst zu, hier nervt man sich nur.

Anspieltipps
Cast in Steel, Under The Makeup, Goodbye Thompson

Sissy Fox – Skip The Universe (2015)

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Sissy Fox – Skip The Universe
Label: Irascible Music, 2015
Format: Download
Links: Facebook, Band
Genre: Experimental-Pop, Soul

Die Welt der Musik stell ich mir gerne wie eine grosse Familie vor. Neue Stilrichtungen sind Kinder älterer Genres, Musiker sind verwandt durch ihre gemeinsamen Platten und Konzerte. Dank dieser Betrachtungsweise ergeben sich immer wieder wunderbare Assoziationen, auch Sissy Fox bleibt davon nicht verschont. Joana Aderi versteckt sich hinter dem tierischen Namen und klingt für mich wie die Grossenkelin von Yello, nachdem sie einen wilden Nachmittag mit Lily Allen in der Grossstadt verbracht hat. Die Mädels haben in diesen Stunden nicht nur die Gehwege mit Kreide bemalt, sondern im Instrumentenladen wild auf den Synths herumgedrückt.

„Blue Soul“ eröffnet das Album zwar unter anderen Vorzeichen: Bläser und gemächlicher Rhythmus des Stückes erinnern eher an Jazzpop, um dann langsam von Keyboards unterwandert zu werden. Grenzen werden schnell durchbrochen und der Knigge in viele Stücke zerrissen, Sissy Fox drehen auf und laden zu einer bunten Party ein. „Skip The Universe“ ist die erste Fete der frischen Schweizer Band, Einladungen wurden in alle Richtungen versandt. Somit begegnet man auf der Tanzfläche nicht nur Elefanten und Krokodilen, sondern die Musik im Hintergrund wagt Experimente und abenteuerliche Stilmischungen. Mit „Crocodile“ übernimmt der Electro-Rap die Kontrolle und lässt sich von Punk kapern. Eine Veränderung, die nicht nur passt, sondern perfekt platziert ist. Egal wie oft die Scheibe Richtung und Stimmung wechselt, nie stossen die Bandmitglieder den Hörer vor den Kopf oder fallen waghalsig in den Abgrund. Dank der wunderbaren DIY-Attitüde sind die Lieder immer genügend verrauscht, ungehobelt und besitzen eine raue Oberfläche. Lack findet man keinen, dafür aber bunten Glitzer und farbige Perücken. Wer mit solch vielen Dingen zugleich hantiert, der macht natürlich auch Fehler. Doch Sissy Fox gelingt es in jedem Lied unbeschadet weiterzutanzen, ohne das man es ihnen übel nimmt. Tracks wie „Young When The Rain Falls“ ziehen sich zwar etwas hin, lassen dafür aber Luft holen für Momente wie den Balkaneinfluss beim Titellied.

Bringt man auf Partys gerne etwas mit, dann lohnt sich hier am ehesten eine Wundertüte oder Tischbombe. Nur so kann man der Vielfalt und der Fröhlichkeit von „Skip The Universe“ gerecht werden. Die zwei Frauen und zwei Männer hinter Sissy Fox haben ein wunderbar verspieltes Debüt erschaffen. Kleine Kinderkrankheiten liessen sich nicht vermeiden, aber die Platte ist ein Zeugnis von Ideenreichtum. Eine Gruppe, die nicht nur den Schweizer Musikmarkt aufmischen könnte und somit auch in Zukunft eine Betrachtung wert ist.

Anspieltipps:
Crocodile, Marathon, Don’t Think Of An Elephant

Live: 4. Kapitän Platte Fest, Nr z P Bielefeld, 15-10-24

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Kapitän Platte Fest 2015
Nr Z P / Cutie, Bielefeld
Samstag 24.10.2015

Wenn man zu später Stunde in einem kleinen Club mit Mitgliedern von Bands, deren Freunden und sonstigen unbekannten Menschen wild feiert und tanzt, für seine solche Gelegenheit eine Zugfahrt von neun Stunden in Kauf nimmt und zwei Tage lang fast nicht schläft, dann war es eine super Party. Und dies bereits zum vierten Mal, denn das Bielefelder Vinyl-Label Kapitän Platte feierte erneut die Musik, die Bands und sein eigenes Bestehen. Als langjähriger Freund und Liebhaber der Kutterbande musste man mich nicht zwei Mal fragen, ob ich auch wieder mitfesten will. Somit waren mein Kumpel und ich dann zwar die einzigen Besucher aus der Schweiz, gleichzeitig aber eine kleine Attraktion. Wer verliert sich für diese Konzerte schon aus dem Ausland nach Bielefeld?

So ausgelassen wie der Samstag endete, so gemütlich begann er. Wir genossen die Gastfreundschaft der Labelbesitzer und frühstückten mit ihnen, eine echte Ehre, denn die Bands durften erst einen Tag später sich verwöhnen lassen. Konsum 1, Kreativität 0 – oder so. Am Abend zeigten sich aber die wahren Helden auf der Bühne des Nr Z P, einem kleinen Kulturlokal mit Charme. Obwohl sich der Raum zu Beginn eher gemächlich füllte, zeigten Zinnschauer (Hamburg) allen versammelten Leuten gleich zu Beginn, was eine intensive und atemberaubende Vorstellung ist. Jakob steht alleine auf der Bühne, mit seiner akustischen Gitarre und Mikrofon. Er schreit, er leidet, er spielt wie ein Teufel und vollbringt schier Unmögliches. Seine ureigene Mischung aus Singer-Songwriter, Screamo und Kunst sperrt sich vor jeglicher Konvention und Regel und ist dadurch immer unberechenbar. Leise gezupfte Gitarre und neben dem Mikrofon geflüsterte Zeilen treffen auf ohrenbetäubende Schreie und verzerrte Gitarrenriffs. Plötzlich dann eine Geige, ein Schlagzeug, mehrstimmiger Gesang von hinten. Der Raum lebt die Musik, man ist umkreist und kann nicht weg. Intensiv und unfassbar gut.

Die Umbaupause kam nach einer solchen Darbietung mehr als Recht, sonst wäre das nachfolgende Konzert von Halma aus, wieder, Hamburg nicht zur Geltung gekommen. Stilmässig konnte man sich nun komplett umstellen auf instrumental dargebotenen Psychedelic Rock. Die Gruppe wusste zum Glück, wo die Grenzen liegen und baute ihre Songs nicht unnötig aus. Zu Beginn war ich etwas über die gemächliche Präsentation erstaunt, nach dem dritten Lied machte es aber klick. Mit geschlossenen Augen liess ich mich von der Musik umspülen und versank total darin. Wie alleine in einem riesigen Raum fühlte ich mich, die Gitarren setzten Akzente und in meinen Gedanken wurde aus Halma ein Eisbrecher im kalten Polarmeer, der regelmässig seine Fracht im Wasser versenkt. Selten hat mich ein Konzert so hypnotisiert und nach deren Auftritt war ich wie ohne festen Boden.

Nihiling (nochmals eine Gruppe aus Hamburg) waren da konventioneller, brachen aber immer wieder die Formel des Post-Rock. Zu fünft standen sie auf der engen Bühne und überraschten vor allem mit ihrer Reife. Die Stücke waren durchdacht, voller Tiefe und viel Talent. Wie kann man als solch junge Gruppe schon Musik in dieser Form spielen? Besonders abenteuerlich waren die Wechsel der Instrumente. Bass gegen Synth, Gitarre gegen Elektrodrum, und dazwischen immer wieder Gesang. Dank der weiblichen Stimmen wirkten gewisse Momente fast sakral, bevor sie wieder von lauten Gitarren zertrümmert wurden. Was mich auf ihrem neusten Album nicht wirklich packen konnte, zeigt sich live als ausgeklügelt und innovativ. Das Konzert wurde zwar mit einem eher typischen Stück des Instrumentalrock beendet, welches vor allem mit der Laut-Leise Dynamik spielte, war aber ein Gewinn auf gesamter Länge. Diese hübschen Leute werden auch nach mehreren Konzerten nicht langweilig.

Da aber nicht die gesamte Musikszene aus der Hansestadt stammen kann, brachen Monophona zum Abschluss mit dieser Tradition und zeigten den Besuchern wie düsterer, elektronischer Dance-Post-Indie in Luxemburg gemacht wird. Schlagzeug, elektrische Knöpfchenstation, Mikrofon, Gitarre. Mehr braucht das Trio nicht, um die Leute mit dunklen Songs zum tanzen zu bringen. Ihre Musik spielt mit schrägem Beat, gezupften Melodien und einem treibenden Schlagzeug. Live kam diese tolle Mischung noch druckvoller und satter zur Geltung, kein Bein stand still. Zwischen den Liedern gab Frontfrau Claudine ein paar Anekdoten zum Besten und zeigte, dass die Band echt sympathisch ist. Kein Wunder fand man in den vordersten Reihen nun auch Leute, die vor wenigen Stunden noch selber auf der Bühne standen. So wurde Monophona auch nicht von der Bühne gelassen, ohne drei Zugaben gespielt zu haben. Ein wunderbarer Abschluss des live dargebotenen Teils, vier von vier Konzerten haben komplett überzeugt.

Auch wenn ich mich wiederhole, man kann es nicht oft genug betonen: Als das wunderbare Vinyllabel gegründet wurde, bewiesen zwei Männer und eine Frau nicht nur Weitsicht und Mut, sondern Geschmack. Selten überzeugen alle Gruppen an einem Abend oder in einem Katalog durchweg, selten macht es so viel Spass, neue Musik zu entdecken und zusammen zu geniessen. Danke Pietsch, danke Tanja, danke Karl.

Viele Veröffentlichungen aus dem Hause Kapitän Platte wurden auf diesem Blog schon besprochen. Hier kann man sich beispielsweise etwas herauspicken. Mehr folgen bald.

Kapitän Platte Festival-15-MBohli-Monophona  Kapitän Platte Festival-15-MBohli-Halma  Kapitän Platte Festival-15-MBohli-5  Kapitän Platte Festival-15-MBohli-Zinnschauer

Media Monday #226

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Neuer Montag, neues Medienglück. Der Journal-Blog stellt wieder immer die Lücken zur Verfügung.

1. Die Ankunft von Marty McFly am 21. Oktober 2015 war ja eine echt witzige Situation, da man nun direkt Gegenwart und Vergangenheit vergleichen konnte. Wobei, eigentlich Gegenwart und Zukunftsvorstellung, oder doch Retrofuturismus und Zeitgeist? Ach, solche Zeitreisen verwirren auch dann noch, wenn sie abgeschlossen sind. Trotzdem hab ich an dem Tag weder die Filme geschaut, noch einen Event besucht. Aber gefreut hab ich mich natürlich.

2. Schier alle anderen Zeitreisende hingegen brauchen bitte nicht wieder zurückkommen, schließlich sind weder die Geschichten toll wenn sie wiederholt werden (siehe Terminator und all die sinnlosen Wiederbelegungen), noch will ich immer Fortsetzungen sehen. Ausser von Marvel, aber das ist halt blindes Fanverhalten. Und von Star Wars.

3. Und als die Karten für den siebten Star Wars Film vorbestellbar waren hab ich dies auch sogleich getan (eigentlich meine Freundin auf meinen Befehl *hust*). Wir werden nun am 17. Dezember pünktlich im Kinosaal sitzen und den Film in Originalton und (leider) mit 3D-Effekt abfeiern. Ich kann es kaum erwarten, und erlebe hiermit auch eine Premiere: Noch nie zuvor hab ich zwei Monate vor der Vorführung Eintrittskarten für einen Kinofilm gekauft. Aber wieso auch nicht, Star Wars rechtfertigt dies auf jeden Fall.

4. Der Trailer nämlich hat mich restlos begeistert. Auch beim fünften Anschauen, auch als Trailer nur mit der wunderschönen Musik von John Williams. Wunderbar ist auch, dass weder die Handlung noch wichtige Wendungen verraten werden. Sicherlich kann man sich nun einiges zusammenreimen, doch dies wird dann vielleicht im Kinosaal gleich wiederlegt. So muss es sein, so bewirbt man einen Film.

5. Viel mehr freue ich mich allerdings zuerst auf „Spectre“, werd ich mir den neusten Bond doch am Mittwochabend in London auf der IMAX-Leinwand zu gemüte führen. Ja, die grösste Leinwand in Grossbritanien. Ja, eine Woche vor Filmstart in der Schweiz. Ja, London. Hurraaaa!

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6. Und dann wäre ja noch der Horroctober, der sich dem Ende zu neigen beginnt. Für Halloweenhabe ich wie jedes Jahr nichts geplant. Dieser Brauch interessiert mich nicht, ich verkleide mich nicht gerne und gehe auch nicht an diese Partys. Da ich am 31. Oktober sowieso Abends von London zurückfliege, kann ich all diese Gebräuchlichkeiten umgehen.

7. Zuletzt habe ich für das Kapitän Platte Festival Bielefeld besucht und das war wieder einmal ein Wochenende voller Freude, weil an diesen Konzertabende immer viele neue Freundschaften entstehen, alte gefestigt werden und man einfach ungezwungen Musik mit Leuten geniessen kann. Mehr hierzu natürlich in Kürze auf meinem Blog.

Live: Antimatter, Ebrietas Zürich, 15-10-13

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Antimatter
Support: The Leaving
Dienstag 13.10.2015
Ebrietas, Zürich

Solch kleine und intime Konzerte in dunklen Kellern besuchte ich in den letzten Jahren fast nicht mehr. Schade eigentlich, findet man in Lokalitäten wie der Metal-Bar Ebrietas im Zürcher Niederdorf doch immer Gelegenheit neue Bands zu entdecken, oder eine alte Liebe neu aufflammen zu lassen. Gerne nahm ich also den Weg auf mich, um Antimatter in der Schweiz willkommen zu heissen und düstere Musik an einem grauen und regnerischen Dienstag über mich ergiessen zu lassen.

Die Band aus England formte sich 1997 aus dem ehemaligen Anathema Bassisten, der Antimatter bereits acht Jahre später wieder verliess. Mike Moss, Sänger und Gitarrist, liess sich davon aber nicht unterkriegen und tourt bis heute unermüdlich mit der Gruppe um die Welt. Besonders intim wurde es bei der Präsentation des neuen Werkes „The Judas Table“. Der Kellerraum im Ebrietas ist klein, alt und mit schwarzen Wänden voller Bandposter ausgestattet. In freudiger Erwartung fand sich eine kleine Gruppe Menschen ein, um der düsteren und melancholischen Musik der Engländer zu lauschen. Moss und seine Mannen stiegen ohne Umschweife direkt mit einem neuen Song „Killer“ in das Set ein und zeigten den versammelten Fans für was sie stehen. Druckvolle Lieder mit wunderbaren Gitarren, dröhnendem Bass, düsterem Gesang und feinen elektronischen Spielereien im Hintergrund. Den Liedern könnte man vorwerfen, sich selten zu unterscheiden. Aber genau in dieser Unverkennbarkeit liegt der Reiz des traurigen Universums von Antimatter. War ihre Musik früher eher leicht und melodiengeprägt, schneiden sich nun Gitarrenriffs durch die Klanggebilde und lassen Wände erzittern. Dies wurde dem Konzert wenige Male zum Verhängnis, denn der Raum eignet sich nur beschränkt für solch laute Auftritte. Einzelne Instrumente wurden vom Schlagzeug überlagert, die Stimme überschlug sich im Feedback.

Der Spielfreude tat dies aber keinen Abbruch und die Gruppe präsentierte ein toll durchmischtes Set aus alten und neuen Liedern, wagte sich bei der Zugabe sogar an Pink Floyd und Britney Spears. Wieder einmal zeigte sich, dass ernste Musik nicht von verbitterten Menschen kommen muss. Antimatter live zu erleben ist eine mitreissende Erfahrung, auch wenn sie sich eher für grosse Bühnen eignen. In kleinen Räumen wird man von der Wucht und Ausstrahlung fast platt gedrückt. Fredy Rotter, besser bekannt als Mitglied von Zatokrev, war als Einstieg gnädiger. Sein Soloauftritt unter dem Namen The Leaving begrüsste das Publikum mit sanft gespielten Singer-Songwriter Liedern. Erstaunlich, wie lieblich und introvertiert Rotten sich zeigte und ganz zerbrechlich an den Saiten zupfte. Für Liebhaber leiser Musik mit Einschlag zu den dunklen Mächten eine wahre Entdeckung und der perfekte Einstieg in einen wunderbaren kleinen Konzertabend.

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Mono & The Ocean – Transcendental (2015)

Mono & The Ocean - Transcendental

Mono & The Ocean – Transcendental
Label: Pelagic Records, 2015
Format: Download
Links: Mono, The Ocean
Genre: Post-Rock, Metal

Laute und wilde Musikstile waren schon immer bekannt dafür, ähnliche und befreundete Bands auf einer Veröffentlichung zusammenzuführen. Dies brachte oft überraschende Ergebnisse und unerwartete Kollaborationen hervor, neuste Paarung: Mono aus Japan stellen sich The Ocean aus Deutschland gegenüber. Zwischen den Herkünften der Gruppen liegen nicht nur tausende von Kilometern, sondern auch einige markante Stilunterschiede. Trotzdem, „Transcendental“ ist ein logisches Ergebnis voller Schönheit.

Den Beginn manchen Mono, und stellen mit „Death In Reverse“ einen klassischen Post-Rock Track ins Rampenlicht. Während knapp elf Minuten darf man Steilwände erklimmen, die aus Gitarrenschichten gewachsen sind und sich nun wie ein Bergmassiv vor die Sonne stellen. Der davon geworfene Schatten ist dunkel und lang, doch lange kein Grund aufzugeben. Denn oben am Gipfel, da scheint die goldene Sonne und wärmt das Gestein auf. Je weiter man nach oben gelangt, desto lauter wird das Rauschen. Die Musiker steigern sich immer mehr und bringen den Song an den unvermeidlichen Punkt des Zusammenbrechens. Genretypisch wird es nun abrupt leise und bedächtig, das Klavier schiebt die Trümmer zusammen. Anstatt mit einer erneuten Repetition der Mono-Formel zu langweilen, ist dem Japanischen Kollektiv hier ein gefühlvoller Moment Instrumentalmusik gelungen. Die Melodien und Klangteppiche sind wild und abwechslungsreich, man schreckt auch vor Lärm in der schier unendlichen Wiederholung nicht zurück. Appetit auf das 2016 zu erscheinende, neunte Album macht dies auf jeden Fall.

The Ocean sind nicht ganz so berechenbar, aber Kenner der Band wissen dies bereits. Seit Jahren prügeln sie die Hörer mit ihrer ungezähmten Mischung aus Post-Metal, Hardcore und Prog nieder, nie ohne den scharfen Blick für Inhalt und Konzept zu verlieren. „The Quiet Observer“ lehnt sich an den tollen Skandalfilm „Enter The Void“ von Gaspar Noe an, versucht also die Geschichte eines toten Menschen als Beobachter seiner Hinterlassenschaft zu erzählen. Aber keine Angst, das Lied funktioniert auch ohne Kenntnisse über den Film oder das tibetanische Buch der Toten wunderbar. Gemächlich startet das Lied mit einzelnen Gitarren, im Hintergrund erklingt ein Chor und Geschrei. Dann plötzlich der Ausbruch, es wird zu einem wütenden Biest und betört aber mit unglaublich schöner Gesangsmelodie. Selten findet man solch klare und definierte Momente in diesem Genre. Der Flirt mit Zugänglichkeit wird auf geniale Weise eingebunden, ohne jemanden vor den Kopf zu stossen. Nach 13 Minuten ist der Spass dann bitterböse zu Ende, sofort drückt man wieder auf Play und geniesst das Werk noch einmal, und noch einmal. Faszinierend und mitreissend, die sieben Herren haben alles richtig gemacht. Eine wunderbare Gemeinschaftsplatte also.

Anspieltipps:
Death In Reverse (Mono), The Quiet Observer (The Ocean)

Mueller_Roedelius – Imagori (2015)

Mueller_Roedelius - Imagori

Mueller_Roedelius – Imagori
Label: Grönland, 2015
Format: Download
Links: Discogs, Roedelius, Müller
Genre: Electronica, Ambient

In der elektronischen Musik ist es eine Tatsache, dass sich Künstler und Helden immer wieder in neuen Kollaborationen zusammenschliessen. Ob es dabei bei einem Album bleibt oder aus dem Projekt eine langjährige Band wird ist egal, denn meist überwiegt die Qualität der Musik solchen Fragen. Nun haben sich auch zwei Grössen zusammengetan, um der Welt ein wunderbares Album voller Klavier getriebener Electronica zu schenken. Hans-Joachim Roedelius und Christoph H. Müller zeigen gemeinsam ihre Stärken auf „Imagori“, und veredeln somit ihren Legendenstatus.

Beschwingt wandelt „Imagori“ auf zwei Pfaden zugleich und kippt dabei in eine gefährliche Schräglage. Obwohl die Herkünfte der beiden Musiker sehr unterschiedlich sind, vermischen sich ihre Herangehensweisen ohne anzuecken. Roedelius bringt die Grenzenlosigkeit, stand seine Musik doch schon immer für dahin fliessende Tracks ohne Standardstrukturen. Eine Präsentation, die zum verlieren und versinken einlädt, eine Musikart, die Grenzen niederreisst und schon vor Jahrzehnten Revolutionen auslöste. Auf „Imagori“ trifft diese beflügelte Mischung aus Kraut, Ambient und Experimentalelektronik nun auf geregelte Musik und viel Piano. Müllers Schaffen zeugt meist von klaren Liedern mit nachvollziehbarem Aufbau, er erarbeitet die Stützen und Träger für verspielte Melodienläufe und Geräuschexperimente. In Stücken wie „Time Has Come“ umgarnen sich diese Stile nun wie Ranken, stossen sanft aneinander und ergänzen sich wunderbar. Das Klavier gibt die Geschwindigkeit an, legt Klangteppiche und wird von sanften Beats und Klangverzerrungen unterstützt. Es entstehen somit unaufgeregte Lieder, die sich zwar zwischen zwei Stühle setzen, aber nie unfertig daher kommen. Deutschland war schon immer für Tüfteleien gut, auch hier zeigt sich der Erfindergeist der beiden Herren. Müller wuchs zwar in der Schweiz auf, stammt aber aus unserem Nachbarsland. Und für ihn stellt diese Zusammenarbeit eine Rückkehr in das Genre der Elektronik dar, meist instrumental und mit wenigen Sprachsamples unterlegt. Grossartige Ausnahme ist „About Tape“, ein wunderbares Stück in dem Brian Eno auftreten und über die Aufnahmevariante mit Band referieren kann. Die Musiker zerlegen seine Aufnahme und verwenden es wie einen weiteren Synthlauf.

Was oft wie eine Meditationsübung erscheint und den Hörer sanft in Klangwolken bettet, ist eine wunderbare Platte der zeitlosen, elektronischen Musik. Freunde des Klaviers werden an den Liedern sofort gefallen finden, Liebhaber der Deutschen Electronica können viele Querverweise auf das Schaffen von Roedelius und Müller entdecken. „Imagori“ beweisst, dass auch Zusammenarbeiten zwischen unterschiedlichen Gedankenwelten prächtig aufgehen können. Ein wunderbares Album für den Herbst, ein passender Begleiter für gemütliche Abende im Wohnzimmer.

Anspieltipps:
Time Has Come, About Tape (Feat. Brian Eno), Origami

Editors – In Dream (2015)

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Editors – In Dream
Label: PIAS, 2015
Format: Doppel-CD in Digipak
Links: Discogs, Band
Genre: Synth-Pop, Alternative Rock

Da sind sie wieder, die Herren Editors aus England. Tom Smith will uns erneut mit seiner Bariton-Stimme bezirzen und die Gruppe versucht die durch „The Weight Of Our Love“ entstandenen Schäden auszubessern. Das letzte Album hat mich mit seinen kitschigen Liebesliedern und der Inhaltsleere stark vor den Kopf gestossen und den Bandnamen von vielen magischen Eigenschaften beraubt. „In Dream“ geht alles komplett anders an und verzaubert bereits mit dem grossartigen Coverbild. In seinem Stil an Filme von Fritz Lang erinnernd, erschafft die Fotografie eine perfekte Ausgangslage für die neue Musik – düster und neblig.

Gewissermassen ist die neue Scheibe ein zweifacher Schritt nach hinten. Verwandelten sich Editors nach zwei musikalischen Veröffentlichungen im düsteren Alternative Rock in einen Schmetterling voller elektronischer Pophits, war die Zusammenführung dieser Welten etwas unrund. Man besinnt sich daher wieder auf den Höhepunkt „In This Light And On This Evening“ und lässt die Keyboards über die gesamte Laufzeit hin knarzen und wummern. „In Dream“ umgeht Fallen wie schnulzige Radiolieder oder Standardware, vergisst bei diesem Spiessrutenlauf aber, die Spannung hoch zu halten. Bereits der Opener „No Harm“ schleppt sich durch fünf Minuten voller Drumcomputer und Smiths tiefen Organs, um wenigstens im Refrain eine Variation zu bieten. Das Lied gefällt, löst aber keine Begeisterung aus. Genau so verhält es sich auch mit dem Rest des Albums. Die Band weiss genau, wie man tollen Stadionrock schreibt und diesen mit Anleihen des Dark Wave mischt, doch eine Zutat haben sie leider vergessen: Die Hits. Alle Vorgänger konnten mindestens einen Track vorweisen, der zum Tanzen und Verrücktwerden animierte und dabei tagelang im Ohr blieb. „In Dream“ bietet keinen solchen Kandidaten, muss sich oft sogar vorwerfen lassen, Inhaltsleere mit Klangwänden zu kaschieren. Das ist nicht immer schlecht, aber während 50 Minuten wartet man bei diesem Album auf den Höhepunkt, auf die Momente, die das Herz ergreifen und einen das Album lieben lernen – doch die bleiben aus. Lieder wie „Salvation“ oder „Marching Orders“ werden perfekt dargeboten und sind wunderbar produziert, keiner verletzt sich wenn er hier genau hinhört. Doch macht man dies wirklich? Besonders, wenn man alles nach wenigen Minuten bereits wieder vergessen hat?

Die Editors sind seit einigen Jahren etwas in der Krise und können sich auch hier nicht von ihren Problemen lösen. „In Dream“ ist kein Ausfall oder ein Kandidat für den Flohmarkt, aber auch kein grossartiges Werk voller Pathos und grosser Gesten. Tom Smith gefällt sehr und wird wunderbar von Rachel Goswell unterstützt, die Band gibt sich wahrlich Mühe. Somit wird diese Veröffentlichung allen Liebhabern der Band gefallen, aber bei kaum jemandem den Platz des Lieblingsalbums einnehmen.

Anspieltipps:
No Harm, Ocean Of Night, Marching Orders