Monat: Mai 2018

EMA – Outtakes From Exile (2018)

Kaum haben wir uns von der lärmigen Depro-Wucht „Exile In The Outer Ring“ erholt, lässt uns EMA erneut in ihre grauen Welten des alternativen Noise-Rock eintauchen. Mit der EP „Outtakes From Exile“ gibt es nun eine kleine Schwester zum Album, eine EP mit vier neuen Liedern und einer ziemlich bedrückenden Langversion von „Breathalyzer“ – ohne Gesang, aber mit 20 Minuten lang wabernden Synthies und Depressionen. Alles beim Alten bei der amerikanischen Künstlerin also? Fast zumindest, fast.

„MopTops (Twist While The World Stops)“ wagt sich nämlich sehr weit von der Stimmung des vorangegangenen Albums weg und präsentiert ein paar Minuten Art-Pop, welcher dank der ätherischen Stimme von EMA gleich an Kate Bush erinnert. „Outtakes From Exile“ ist somit etwas bunter als die letzte Scheibe und bietet Platz für Songs, die zwar kompositorisch mehr als überzeugen, aber zuvor nirgends richtig hingepasst haben. Die Musikerin driftet hier durch leichte Arrangements, zu ihren Wurzeln und überall dazwischen.

Mit „Dark Shadows“ gibt es auch einen typischen EMA-Song, mit „Anything Good“ ein kaputter Lo-Fi-Blues ohne grosse Verstärkung. Über all diesen Tracks lauert aber weiterhin eine gewisse Bedrohlichkeit, ein Gefühl, das sonst nur nahende Stürme verbreiten. Und was auch nach diesem Nachschub klar ist: EMA ist und bleibt eine der besten ihres Fachs – egal ob kurz wie mit den hier präsentierten Neuheiten oder lang und zäh wie mit dem zermürbenden Abschluss.

Anspieltipps:
Dark Shadows, MopTops, Breathalyzer Instrumental

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Mudhoney – LiE (2018)

Grün ist Fluss schon lange nicht mehr, denn seit 1988 sorgen Mudhoney dafür, dass Grunge nie zu glatt wird und sich auch immer gerne im Dreck wälzt. Die Band um Frontmann Mark Arm feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum und beginnt die Feierlichkeiten mit einem Live-Album, das Aufnahmen diverser Europakonzerte der Tour von 2016 präsentiert. „LiE“, also „Live in Europe“, bietet elf laute Songs, die nicht nur durch die gesamte Geschichte der Gruppe reisen, sondern die Welt auch auf das neue Studioalbum vorbereiten sollen. Und mit dem Roxy Music Cover „Editions Of You“ wird auch die Romantik nicht ganz vergessen.

Denn im eigentlichen Sound von Mudhoney sind es vor allem der rohe Gitarrenklang, der Lärm und der Punk, welche das Bild bestimmen und Lieder wie „Get Into Yours“ oder „Poisoned Water“ so rumpelig angehen, dass die Musik immer wieder schier auseinander zu fallen scheint. Das passt aber zur direkten und reduzierten Art, mit der die Amerikaner ihre Lieder angehen – die Nähe zu Bands wie Ramones oder The Stooges lässt sich dabei nicht leugnen. Mit energetischen Momenten wie „I’m Now“ erhält das Album aber immer wieder etwas Luft zu atmen, bevor die Band sich komplett in den Noise stürzt („Judgement Rage Retribution and Thyme“).

Dass Mudhoney an ihren Songs und Konzerten immer noch Spass haben, das spürt man auf „LiE“. Die Mannen geben sich nicht mit einer Sparflamme zufrieden, sondern prügeln aus dem alternativen Rock die harten Seiten heraus. Schön also, ist diese Scheibe nicht nur ein neues Lebenszeichen, sondern auch gleich das erste, reguläre Livealbum dieser Legende. Es wird Zeit, die Haare wieder wachsen zu lassen und sie wild zu schwingen.

Anspieltipps:
Poisoned Water, Judgement Rage Retribution and Thyme, Broken Hands

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? – Jazzbelle 1984 / 1988 (2018)

Normal ist an dieser Scheibe praktisch Nichts – der Wahnsinn beginnt schon beim Bandnamen. Denn das leicht übergeschnappte Garage-Punk-Trio aus Finnland hat sich zungenbrecherisch Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? betitelt und zielt damit bereits auf die erste Absurdität ab. Wobei heute noch einiges aus den Achtzigern unverständlich ist, „Jazzbelle 1984 / 1988“ lässt sich davon aber weder irritieren noch stören. Und nach diesen energetischen Songs ist man sowieso fitter als nach einem Training via Kassette.

Denn was Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? seit 2014 auf die Beine stellen, ist genau so süss wie kaputt, suhlt sich in trashiger Kunst und sprengt gerne jede versnobte Party. Dieses zweite Album gewinnt bereits Punkte mit der Instrumentierung. Ekku Lintunen singt nicht nur, sie hat auch die Gitarre eingemottet und lässt ihre Melodien nur noch von den Keyboards und dem Akkordeon ertönen. Das verleiht Songs wie „The Herman Song“ oder „Hanky Panky“ eine bunt schillernde Ebene und ist immer herrlich laut.

Dass sich die Musik auf „Jazzbelle 1984 / 1988“ überhaupt anhören lässt, ist schon erstaunlich, klingt doch vieles wie Kinderlieder aus der Hölle – mit gewissem Indie- und Alternative-Anspruch. Aber Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? mögen diese irrwitzigen Mixturen und trumpfen mit einem wirklich runden und fesselnden Songwriting auf. Wer also passende Musik für den Besuch in Pee-Wee’s Playhouse sucht: Hier ist sie. Und keine Angst, die Messer sind aus Gummi.

Anspieltipps:
Magic Swimming Pants, Corazone, Hanky Panky

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Donots – Lauter als Bomben (2018)

Ein Zufall wird es bestimmt nicht sein, dass „Lauter als Bomben“ am gleichen Tag erscheint wie „Sturm & Dreck„. Im Gegensatz zum Album von Feine Sahne Fischfilet legen die Donots aber Wert auf eine musikalisch vielfältige Präsentation der politischen Texte. Vom anfänglichen Punk der Gruppe ist nicht mehr so viel übrig, wohl aber noch von der stark aktivistischen Einstellung, die mit „Karacho“ zu grossem Echo und grosser Beliebtheit geführt hat. Somit gibt es auch hier wieder direkte Texte in deutscher Sprache, grosse Gitarren und viel Tempo – aber auch passende Melodien für das Stadion.

Donots waren schon immer für Grösseres bestimmt als die normale Hau-Drauf-Nummer  – darum gibt es mit „Lauter als Bomben“ nun Liedern, die sich neben den Foo Fighters positionieren, Stimmungen der vergangenen Jahrzehnte und verbale Ohrfeigen gegen rechte Idioten. Kein Wunder also heissen Lieder „Apollo Creed“ und verteilen Riffs wie harte Schläge, „Keiner kommt hier lebend raus“. Doch so böse sind die Mannen dann doch nicht, heroische Refrains und Textzeilen mit Ohrwurmqualitäten begleiten das gesamte Album. Wer bei Stücken wie „Rauschen (Auf jeder Frequenz)“ nicht sofort mittanzen und -singen will, dem ist nicht mehr zu helfen.

Bei den Donots ist man also auch in diesem Jahr wieder ein Mitglied einer grossen Rock-Familie und erhält nette Gesten und Denkfutter. Auch wenn sich „Lauter als Bomben“ zu Beginn noch etwas einfach oder glatt anhört, bereits nach kurzer Zeit erkennt man die Reize hinter der Eingängigkeit und die Hits schälen sich heraus. Wobei, ein schlechtes Lied gibt es auf dieser Platte eigentlich nicht und bei „Whatever Forever“ darf es schliesslich auch wieder kratzig, laut und wild werden. Somit kommen bestimmt alle auf ihre Kosten.

Anspieltipps:
Keiner kommt hier lebend raus, Eine letzte letzte Runde, Apollo Creed

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Levon Vincent – For Paris (2018)

Wer ist besser als Reiseführer durch Deutschland geeignet, als der New Yorker Soundbastler Levon Vincent? Mit seinem Album „For Paris“ wandert er nämlich nicht nur durch alle Bundesländer, sondern auch Gesinnungen und Zeiten. Ob Schulbesuche in Düsseldorf oder Berlin, seine elektronischen Tracks atmen jeden Geist. Passend zum Konzept, sein zweites Album dem Frieden zu widmen und die Menschen wieder stärker zur Vernunft zu bringen.

Natürlich, diese Intention ist nebst dem Cover und den Songnamen wie „Hope for new Global Peace“ oder „If We Choose War“ nicht direkt erfassbar, man merkt Levon Vincent aber schon an, dass er sein zweites Album eher den freundlichen Synthiespuren gewidmet hat. Beats und tiefe Bässen tauchen auf und begleiten die Melodien, viel mehr geht es aber um hypnotische Wirkungen von House und Techno. „For Paris“ zieht immer wieder auf die Tanzfläche, spielen mit Minimal und Funk, sind reflektiert und doch offenherzig.

Zwei Jahre musste man auf die neue Scheibe von Levon Vincent warten, der in Berlin lebende Künstler hat mit seiner Intention aber ein Stück Musik geschaffen, dass mitreisst, berührt und sich hinter den grossen Legenden der elektronischen Welten nicht verstecken muss. Und mit Momenten wie „Dancing With Machiavelli“ fliegt man sogar leichtfüssig durch den Ballsaal. So vielseitig kann das Leben sein, halten wir doch zusammen.

Anspieltipps:
Kissing, Hope for new Global Peace, Dancing With Machiavelli

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Bombers – M\W (2018)

Man sollte sich nicht von „M\W“ auf die falsche Fährte locken lassen, denn hinter dem gleichnamigen Album verbirgt sich bei weitem keine sanfte Platte voller Indie-Pop. Nein, das erste Werk der Bombers aus Lausanne ist ein experimentelles, abwechslungsreiches und wagemutiges Stück Musik zwischen Krautrock, Disco, Rock und Pop.  Irgendwo zwischen Zukunft und Vergangenheit gelandet, doch weiter als die Gegenwart und voller Ideen mit Ansteckungsgefahr.

Ob nun die Synthies laut blubbern, die Gitarren den Ton angeben oder das Schlagzeug unerbittlich die Songs vorantreibt, Bombers suchen nie den leichten Ansatz sondern folgen ihren Gefühlen und geben der Musik viel Raum. Das kann wie bei „Good Colors, Bad Shape“ in einer Richtung enden, die auch LCD Soundsystem so gross gemacht hat, oder sie landen eben doch wieder gesanglich veredelt mit dem Raumschiff im Wohnzimmer („Overblowing“). Wunderbar auch, wie sich diese Gegensätze perfekt ergänzen und gegenseitig vollenden.

„M\W“ ist also zugleich eine organische Technoparty, die bereits in den Siebzigern für lachende Gesichter gesorgt hat, Art-Rock mit perkussiver Wucht, Tanzmusik für Abenteurlustige und Entspannungsmusik für Schatzsucher. Nur zu dritt haben Bombers hier eine Platte zusammengestellt, die bereits jetzt ganz hell am Firmament leuchtet und wohl noch viele Jahre kein bisschen an Strahlkraft verlieren wird – und mit jedem Durchgang noch viel mehr Freude bereitet.

Anspieltipps:
L’Hippocampe, Good Colors Bad Shape, Overblowing

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Nathan Gray – Feral Hymns (2017)

Vom Post-Hardcore zur alleinigen Darbietung mit der Gitarre – ein Weg, den bereits viele bekannte Musiker gemacht haben, und nun folgt ihnen Nathan Gray. Der charismatische Sänger von Boysetsfire, der letztes Jahr mit seinem Nathan Gray Collective für stampfende Dark-Wave-Stücke sorgte, kehrt nun mit seiner ersten Soloplatte „Feral Hymns“ zurück. Was darauf fehlt, sind Bandmitglieder und laute Klangwände; dafür hat sich der Künstler die Intensität und persönlichen Einblicke weiterhin beibehalten.

Was man Nathan Gray auf keinen Fall absprechen kann, sind seine packende Stimme und das Gespür für mitreissende Melodien. So gibt es auch auf „Feral Hymns“ mit Songs wie „Echoes“ oder „Alone“ wieder Momente, die man mit offenem Herzen geniesst. Textlich bleibt sich der Amerikaner treu und behandelt intime und bewegende Gedanken, immer gerne etwas hedonistisch und oft auch überzeichnet. Das passt zu seiner Person und Musik, reicht hier aber nicht für einen kompletten Sieg. Mit Neuaufnahmen von Songs von Boysetsfire und Casting Out schaut er zwar zurück, kommt aber nicht viel weiter.

Singer-Songwriter müssen mit ihrer Gitarre und Stimme die ganze Last der Musik tragen, Nathan Gray macht dies mit verstärkten Akkorden, Pathos und einigen kleinen Hilfestellungen von Freunden. Dies reicht leider nicht über die gesamte Spielzeit aus, um immer fesselnd zu bleiben. Die Essenz scheint oft nicht angetastet zu werden, mit der Zeit fühlt man sich in einer Schlaufe gefangen. Auf jeden Fall findet man hier tolle Lieder wie „Wayward Ghosts“, zur wirklichen Begeisterung fehlt aber dann doch das Volumen. So etwas nennt man wohl ein „Fan-Album“.

Anspieltipps:
Echoes, Wayward Ghosts, Alone

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Rich Wilson – Time Flies: The Story Of Porcupine Tree (2017)

Als die Band endlich die edle Royal Albert Hall betreten durfte und vor ausverkauftem Saal ein fantastisches Konzert spielte, war es mit Porcupine Tree eigentlich bereits vorbei. Die wandlungsfähige und stets hart arbeitende Band um Meister Steven Wilson wollte immer den Durchbruch und die grössere Anerkennung, beendete ihren Lauf aber während dem steilen Aufstieg. Man hatte sich musikalisch zu fest verfahren, wiederholt und ausgelaugt. Dabei fing alles so anders an …

„Time Flies“ von Rich Wilson (nicht verwandt mit dem gewissen Steven) ist das erste Buch, welches die Geschichte der Art-Rock-Grösse aus England erzählt – wenn auch nicht autorisiert. Doch das tut dem Buch nicht weh, wurde hier schliesslich in aufwändiger Arbeit aus vielen Interviews und Berichten alles herausdestilliert, was den Weg von Porcupine Tree ausgemacht hatte: Angefangen bei den alleinigen Versuchen Wilsons im eigenen Schlafzimmer, die ersten Tapes mit erfundenen Biografien über die immerzu wechselnden Stilrichtungen bis hin zum fulminanten Abschluss als erstarkte Band im Bereich des modernen Progressive Rock.

Schnell wird trotz all den Widrigkeiten, welche Porcupine Tree in ihrer Karriere aushalten mussten, klar, dass es wohl selten eine klanglich interessantere, aber szenentechnisch langweiligere Band gab. Fern von allen Exzessen, Drogengeschichten, wilden Vorfällen oder misslungenen Konzerten erarbeiteten sich die Musiker mit jedem Album einen besseren Ruf und mehr Fans. Für „Time Flies“ bedeutet dies leider, dass sich grosse Teile des Buches wie ein konstanter Kreislauf lesen. Der Ablauf „Demo, Aufnahme, Veröffentlichung, Tour“ wird bei jedem Kapitel gleichförmig wiederholt, bei Zitaten aus Gesprächen und Presseberichten leider zu unsorgfältig gearbeitet.

Die Lektüre von Rich Wilson ist somit zwar leicht und wenig anstrengend, oft aber auch etwas zu wenig redigiert. Gewisse Fakten werden oft wiederholt, viele Absätze lesen sich holprig – hier wären grössere Eingriffe in das Quellenmaterial hilfreich gewesen. Somit ist das Buch vor allem für Anhänger von Steven Wilson und seinen Bands interessant, Neulinge werden wohl das Phänomen hinter Porcupine Tree nach „Time Flies“ nicht wirklich erfassen können. Schön war es aber trotzdem, für einmal die Geschichte als Ganzes zu erfahren – und vor allem bei jedem erwähnten Album wieder Lust auf ein Wiederhören zu haben.

Noch ein kleiner Hinweis: Das Buch beschränkt sich auf einen Fliesstext mit wenigen Bildern in der Mitte. Da weder Bandmitglieder noch beteiligte Labels an der Veröffentlichung mitgearbeitet haben, fehlten natürlich die Rechte, um visuelles Material in den Text einzubauen. Somit lockern weder Albumcover noch Backstagefotos „Time Flies“ auf – aber immerhin kann man aus vier passend psychedelischen Umschlägen auswählen.

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Feine Sahne Fischfilet – Sturm Und Dreck (2018)

So sauber und komplett wie der Zahn auf dem Cover von „Sturm & Dreck“ aussieht, so unrealistisch ist dessen Zustand beim Konsum des neusten Werks der Punkband Feine Sahne Fischfilet. Denn wo die Band aus Mecklenburg-Vorpommern seit 2007 musikalisch altbekannt und in seltensten Fällen wagemutig ist, macht sie das mit ihren direkten Aussagen und politischen Aktionen wett. Auch auf dem fünften Album wird nun also zwischen Trompeten und Gitarre gegen Rechtsradikalismus gesungen und gespielt, gleichzeitig werden aber auch die unscharfen Stunden der Nacht beschworen. Dass dies alles angenehmer die Kehle herunterfliesst als Hopfengetränke, das ist auch Tobi Kuhn zu verdanken.

Der versierte Produzent, der auch schon bei den Toten Hosen die Klangspuren poliert hat, sorgte dafür, dass Riffs und Parolen immer laut und direkt von „Sturm & Dreck“ ertönen. Es ist aber natürlich klar, dass Feine Sahne Fischfilet auch in diesem Jahr nicht auf rohe Kraft und instinktive Leidenschaft verzichten. Sei es nun mit „Zurück in unserer Stadt“ oder „Ich mag kein Alkohol“, die Exzesse und das Leben in den Kleinstädten erhalten Spielraum. Wirklich gross wird die Band aber immer dann, wenn sie moralische Ungerechtigkeiten anprangert und sich ganz klar gegen Nazis und anderes Pack positioniert. „Angst frisst Seele auf“, „Dreck der Zeit“ – bereits mit den Songnamen ist man konkret.

Feine Sahne Fischfilet haben das Kunststück geschafft, klassischen Ska-Punk mit etwas repetitivem Klangkostüm weiterhin packend und reizvoll zu gestalten. Texte und Aussagen zu aktuellen Geschehnissen und gegen den immer wieder aufmüpfigen braunen Sumpf machen aus „Sturm & Dreck“ ein wichtiges und aktuelles Album. Da stört es auch nicht weiter, dass weder Riffs noch Melodien wirklich neu sind und sich die Band etwas zu wenig aus dem unzählige Male vernommenen Stil wagt. Aber dies ist schliesslich auch Poesie für die schmutzigen Gassen, nicht den verkommenen Ballsaal.

Anspieltipps:
Angst frisst Seele auf, Dreck der Zeit, Suruc

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Sooma – Sooma (2017)

Wenn hier jemand Flanellhemden trägt, dann nur welche mit Flecken und grossen Löchern. Denn zur Musik von Sooma kann man sich nicht bewegen ohne Verletzungen davonzutragen und so bleibt vom gemütlichen Grunge nicht mehr viel übrig. Das Trio aus Zürich macht sich viel lieber im lauten Rock, kräftigen Noise und dystopischen Weltbild breit. Und genau so hemmungslos und dreckig klingt „Sooma“ auch.

2014 gegründet, wurde nach einigen Demos und aufgenommenen Songs da Projekt konkreter und Sooma eine richtige Band. Zu Yannick Consaël und Fidel Aeberli gesellte sich Bassist Stefan Jocic, brachte noch mehr Lust und Energie in die Truppe und half mit, die Wucht der Liveshows auf das erste Album zu übertragen. Dies gelingt der Band perfekt, rauscht es einem im Kopf doch bereits nach dem Einstieg mit „Uncle“. Die Mannen holen aus der brachialen Musik den lockenden Rock’n’Roll heraus und wirken immer ansteckend.

Lieder wie „Kneel“ oder „Karoshi“ sind oft herrlich kurz und leben von übersteuerten Gitarrenriffs, kratzen an den Membranen in den Lautsprechern und verarbeiten die Plattenspielernadel langsam zu Staub. Sooma mischen diese reissende und wilde Mixtur mit Texten über schmerzende Probleme und Zweifel – und die Verbindung zu den Neunzigern ist somit auf allen Ebenen hergestellt. Wobei, zurückgeschaut wird auf „Sooma“ eigentlich nie, lieber stürzen sich Songs und Band gleich aus dem geschlossenen Fenster und schocken die Nachbarschaft.

Anspieltipps:
Kneel, Misli Teku, Karoshi

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.