Rick Smith

Live: Underworld, Alexandra Palace London, 17-03-17

Underworld
Support: Rick Smith
Alexandra Palace, London
Freitag 17. März 2017
Setlist

In die Nachbarschaft zurückzukehren, alte Freunde wieder zu treffen – wer macht da nicht gerne eine gute Flasche Wein auf. Als Musiker transformiert sich dies natürlich in die abendliche Darbietung – und somit war auch das Wiederkehr-Konzert von Underworld in London alles andere als normal. Ihr Auftritt im Alexandra Palace, dem ehemaligen Sendeort von BBC nördlich der Grossstadt, schlug bereits im Vorfeld grosse Wellen und schnell waren die Tickets ausverkauft. Das Duo besucht die englische Hauptstadt selten und im Fahrwasser von „T2 – Trainspotting“ wollten um so mehr Menschen Karl Hyde und Rick Smith wieder einmal spielen sehen.

Und enttäuscht wurde man auf keinen Fall, war nicht nur das eigentliche Konzert ein riesiger Rave und ein emotionales Ereignis, sondern auch das Rahmenprogramm vorzüglich. Bereits kurz nach dem Einlass in die Konzerthalle durfte man nämlich Produzent und Musiker Smith in der Mitte des Saales dabei beobachten, wie er unter der visuellen Leitung von Simon Taylor alte Underworld-Songs neben dem Mischpult auseinandernahm und mit neu geschriebener Musik zu frischen Tracks mutieren liess. Über ihm thronte ein Kubus aus Leinwänden, durch die Besucher wanderten sonderliche Gestalten auf Stelzen.

Dank der grossartigen Lichtuntermalung geriet dieser Einstieg zu einem fast traumwandlerischen Tanz zwischen Ambient und Techno – das Surreal Carnival Experiment erfüllte alle namentlichen Versprechen. Die fesselnde Mischung aus schönen Melodien, treibenden Beats und riesigen Synth-Spuren zog sich dann auch durch das eigentliche Set von Underworld. Nun durfte auch Karl Hyde in Echt das Publikum begutachten und seine tollen Texte der Musik beifügen. „Mmm Skyscraper“ und „Juanita“ liessen den Auftritt gleich mit alten Höhepunkten starten, dann zeigten die Herren auch die Qualitäten ihres neusten Werkes mit „I Exhale“ und „If Rah“.

Und spätestens dann waren alle Besucher hin und weg – wenn auch zum Teil Mithilfe gewisser Substanzen. Doch getanzt wurde überall und die gewaltige Lichtshow tauchte das Alexandra Palace in passende Stimmungen. Dank Tänzer, dem riesigen Screen mit Projektionen und viel Strobo im Nebel war man schnell eines mit der Musik und flog davon. Dank Überraschungen wie „Cups“, „Ring Road“ oder „Moaner“ war die Setliste extrem unberechenbar und oft stolperte man von einem gehirnzerstörenden Kracher in ein wunderschönes Empathie-Feld. Doch diese Dualität hatte Underworld schon immer reizvoll gemacht.

Erneut bewiesen die Herren, dass ihre Musik zwar weiterhin tief in der elektronischen Wiege der 90er verwurzelt ist, aber auch Jahrzehnte später immer noch mitreissen und begeistern kann. Im Gegensatz zu anderen Weggefährten blieben Underworld immer neugierig und versuchten ihre Musik voran zu treiben – was in Stücken wie „Scribble“ oder „Slow Burn“ endete. Der Schluss des Konzertes gehört aber dem ohrenbetäubenden, augenerblindenden und synapsensprengeden Track „Born Slippy“. Erschöpft, durchnässt aber vor Glück strahlend machte man sich gemeinsam auf den Weg zur U-Bahn, Underworld gehören in den Palast.

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Underworld – Barbara Barbara, We Face A Shining Future (2016)

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Underworld – Barbara Barbara, We Face A Shining Future
Label: Universal, 2016
Format: CD
Links: Discogs, Band
Genre: House, Techno, Electronica

Schaut nach vorne, nicht zurück – da erwartet uns eine schillernde Zukunft und Wohlstand. Und lange musste man von diesem Moment träumen, der scheinbar nie eintreffen wollte. Sechs lange Jahre liegen zurück, seit das englische Duo Underworld ihr letztes Album auf die Welt brachte. „Barking“ überraschte damals mit ungewohnter Popnähe und vielen Produzenten. Jetzt endlich ist aber die neuste Scheibe von Rick Smith und Karl Hyde da – und wieder genau so, wie man es sich von den Herren wünscht. Stimmungsvoll, treibend, faszinierend.

Wie schon immer beweisen Underworld auch mit „Barbara Barbara, We Face A Shining Future“ Geschmack. Das beginnt bereits bei der Gestaltung und dem Cover, dem Albumtitel und natürlich den Lyrics. Karl Hyde weiss einmal mehr seine Texte mit wenigen Sätzen und Wortreihen interessant zu gestalten und perfekt in die Musik einfliessen zu lassen. Die Symbiose aus Stimme und Synths ist perfekt, keine andere Gruppe aus dem elektronischen Bereich kann ihnen das Wasser reichen. Natürlich geht diese Perfektion auch weiter bei den Harmonien, Melodien und Beats. Ob wild verzettelt wie in „I Exhale“, sehnsüchtig schwelgend bei „Nylon Strung“ oder völlig abdriftend in „Santiago Cuatro“ – Underworld erreichen auf diesem Album eine wahnsinnig hypnotische Mischung. Stimmungswelten voller Klangflächen, Ambientwolken und mitreissende Rhythmen. Das Duo legt hiermit eine der besten House / Techno Scheiben seit langem vor, und wohl zugleich auch ihre eigene beste Arbeit seit sehr, sehr langem. Das Album spielt mit Referenzen an die Vergangenheit der Gruppe, ist aber immer modern und progressiv.

Mit ihrem neusten Werk haben es Underworld wieder einmal geschafft und ein vereinnehmendes Stück elektronische Musik erschaffen. Somit muss man nicht lange träumen und hoffen, „Barbara Barbara, We Face A Shining Future“ macht die Gegenwart wunderschön und glänzend. Fantastisch durchdacht, ausgeführt und aufgenommen. Die sieben neuen Lieder machen glücklich und beweisen: Underworld sind die besten, bleiben die besten, sind für immer.

Anspieltipps:
I Exhale, Slow Burn, Nylon Strung

Top 10 Soundtracks

Na da habe ich den Salat. Sobald man stärker in den Blogkreisen verkehrt, wird man nominiert und genötigt, Listen zu erstellen. Danke hierbei an FriedlvonGrimm, ich werde mich noch revanchieren. Zuerst aber musste erschreckend feststellen, dass ich sehr selten und eher ungern Filmmusik höre. Klar, ich liebe Kino und die Symbiose von Musik und Bild. Aber eben, ohne Bilder empfinde ich den Soundtrack dann oft als zu fad oder wirkungslos. Trotzdem finden sich in meiner Sammlung einige Alben, die ich auch ohne dazugehörige Filmrolle nicht mehr missen möchte.

Was hierbei sicherlich auffällt, es tummeln sich wenig Klassiker darunter. Denn gerade die sinfonische Orchestermusik mag ich ohne die Bilder weniger. Bietet aber ein Film aufregende Elemente in der Musik (sei dies elektronische Einflüsse, tolle Lieder oder ähnliches), dann steht er bei mir meist hoch im Kurs. Gern gehört werden bei mir auch Songsammlungen mit viel Stil, aber lest selber. Viel Spass beim wundern und kopfschütteln.

Top Ten Soundtracks_MBohli

11. Passengers – Original Soundtracks Vol. 1
Eigentlich ein Kandidat für den ersten Platz, disqualifiziert sich das Album von den Passengers aber gleich selber. Denn die Musik wurde zu imaginären Filmen geschrieben, die sich die Musiker während den Sessions ausmalten. Die dabei entstandenen Songs sprühen förmlich vor Kreativität und Abenteuerlust. Klänge werden bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, Gesang experimentell eingesetzt. Synths und Keyboards erhalten viel Gewicht und unterstützen den grandiosen Aufbau der drei ersten Songs. Und dann wird klar: Hinter all dieser Musik verbergen sich U2 und Brian Eno! Wagen die Iren heute leider keine solchen Ausflüge in die Kunst mehr, erlebte immerhin „Your Blue Room“ eine wunderschöne Wiedergeburt auf der letzten Tour.

10. V.A. – Jackie Brown
Eigentlich könnte hier jeder Film von Tarantino in der Liste stehen, jedenfalls alle klassischen. Aber nur Jackie Brown hat es geschafft, mich für eine neue Musikrichtung zu begeistern. Wenn ein OST mit „Across 110th Street“ von Bobby Womack beginnt, kann er nur perfekt sein. Denn gibt es ein besseres Lied im Bereich Soul? Meiner Meinung nach nicht, und auch „Didn’t I (Blow Your Mind This Time)“ und „Street Life“ machen einfach Laune. Eingebettet zwischen Dialogzeilen und Raritäten aus den 70ern, bietet die Musik zum unterbewerteten Jackie Brown vor allem eines: Klasse.

9. Pink Floyd – The Wall
Ist das nun ein Soundtrack oder ist der Film ein Begleitwerk zur Musik; oder beides zusammen und doch anders? Wie auch immer, Pink Floyd haben mit „The Wall“ eine verstörende Geschichte vorgelegt, die als Album und Film funktioniert. Wirklich erst gezündet hat alles aber damals, als ich Roger Water’s The Wall live bestaunen durfte. Plötzlich machte es klick und die Lieder ergaben mehr Sinn und Tiefe. Sicherlich, den Film kannte ich auch schon zuvor, aber seit diesen Konzerten bin ich erst von „The Wall“ (die Musik) überzeugt.

8. Rick Smith & V.A. – Trance
Egal was es ist, sobald einer der beiden Herren von Underworld etwas Neues veröffentlicht, kaufe ich es blind. Soweit geht meine Liebe zu diesem Elektro-Duo aus England, und dabei mache ich auch vor Filmmusik nicht Halt – besonders, wenn der Soundtrack zu einem Film von Danny Boyle gehört, einer meiner liebsten Regisseure. Rick Smith hat für „Trance“ ein flirrendes, stampfendes und immerzu vorwärts treibendes Gefährt erschaffen, dass nicht nur den Mindfuck aushaltbar macht, sondern das Gehör beglückt. Und in der Mitte brechen plötzlich UNKLE durch den Boden und geben der Musik noch die Goldbeschichtung, wenn man nicht schon dank Emeli Sandé im Himmel schwebt.

7. Cliff Martinez & V.A. – Drive
„Drive“ von Nicolas Winding Refn ist ein Meisterwerk in Sachen Stil und Wirkung, immer unterkühlt und gnadenlos in seiner Inszenierung. Musikalisch bedient sich der Film in der Retro-80er Bewegung und lässt vor allem eines erklingen: Synths und Drums mit viel Hall. Das passt wie die Faust aufs Auge und gibt dem Film die letzte Coolness. Cliff Martinez ergänzt die Lieder mit pochender Elektronik und entspanntem Ambient.

6. V.A. – Sucker Punch
Ich gebe es zu, dieser Film führt meist zu Kopfschütteln und Unverständnis, aber ich finde Sucker Punch mit all seinen sexy Darstellerinnen, abgedrehten Welten und visuellen Ergüssen toll. Und wenn ein solcher Streifen schon wie ein Musikvideo beginnt – und dazu die Hauptdarstellerin Emily Browning eine grossartig düstere Coverversion von „Sweet Dreams (Are Made Of These)“ anstimmt – dann bin ich im Boot. Ein Remix von Björks „Army Of Me“, Emiliana Torrini singt ein Jefferson Airplane Cover von „White Rabbit“ und Emily bezirzt weiter mit „Where Is My Mind“. Hammergeil, Revue-Nummer am Schluss inklusive.

5. V.A. – The Boat That Rocked
Mein liebster Gute-Laune-Film spielt in den Sechzigern und handelt von den Piraten-Radiostationen. Woraus der Soundtrack besteht, sollte ja eigentlich auf der Hand liegen: Unzählige, perfekte und bis heute gern gehörte Klassiker aus Pop und Rock. „Elenore“, „Judy In Diguise“, „Crimson And Clover“, „My Generation“, „A Whiter Shade Of Pale“, „Let’s Dance“ und und und.

4. V.A. – I’m Not There
Bob Dylan ist eine faszinierende Persönlichkeit – dies spiegelt sich auch in der Unfassbarkeit seiner Musik wieder. Filmisch versuchte man ihm schon mehrmals auf die Schliche zu kommen, aber nur „I’m Not There“ aus dem Jahre 2007 hat dies aus meiner Sicht geschafft. Genau damit, dass Dylan nie vorkommt und er nie klar definiert wird. Seine Musik wird von einer ewig langen Liste wunderbarer Musiker und Bands interpretiert und neu erschaffen. Man muss es gehört haben, um es zu glauben.

3. Trent Reznor & Atticus Ross – The Social Network
Trent, NIN, Oscar, Ambient, Sternstunde. So einfach lässt sich die Musik zum Facebookfilm von David Fincher zusammenfassen. Trent Reznor, der Frontmann von Nine Inch Nails, und der Produzent Atticus Ross haben hier eine prämierte Zusammenarbeit veröffentlicht, die Ambient, Electronica und düstere Klangwelten mischt. Das passt nicht nur super zu den distanzierten Bildern, sondern legte auch den Grundstein für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Seither haben die beiden Herren die Filmmusik zu „The Girl With The Dragon Tattoo“ und „Gone Girl“ geschrieben und dabei das Niveau konstant hoch gehalten. So gut wie hier wurden sie aber nicht mehr.

2. Underworld & John Murphy – Sunshine
Wie oben schon geschrieben, sind Underworld für mich eine der besten Bands auf dieser Erde. Ihre Kollaboration mit John Murphy führte zu einer kompositorischen Meisterleistung. Die Musik für „Sunshine“ von Danny Boyle versteht es nicht nur, kongenial die Bilder zu verstärken und zu untermalen, sondern funktioniert als komplett eigene Ebene und Erzählweise. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Gefühl und Liebe in den kurzen Stücken steckt. Und wenn dann Merkur zu den verzerrt gezupften Gitarrenklänge auftaucht, dann liebe ich denn Film noch tausend Mal mehr.

1. Peter Gabriel – Passion (Music for The Last Temptation of Christ)
Etwas absurd, aber der erste Platz belegt bei mir eine Filmmusik, deren dazugehörigen Streifen ich nie gesehen habe. Aber als Fan von Peter Gabriel musste ich mir alles in seiner Diskografie zulegen, darunter auch diesen Soundtrack zum kontroversen Film von Martin Scorsese. Und an der Musik ist einfach alles wunderbar: Die druckvolle Perkussion, der östliche Einfluss der Musik, die Duduk, die typischen gabrielesken Lautgesänge, das Gefühl durch Sand zu gehen, und die Bedrohlichkeit, die sich gegen Ende in Hoffnung und Liebe auflöst. Ein Meisterwerk seiner Karriere, ganz ohne Gesang. Spannend, dass ich nun so viele Dinge mit dieser Musik verbinde, dass ich fast Angst habe, denn Film anzuschauen. Zerstört es mir diese Erinnerungen?

Weitere Soundtracks von Peter Gabriel: Birdy, OVO, Long Walk Home

Was war der erste Soundtrack, der dich vollends begeistert hat?
Als junger Knabe war ich ein totaler Star Wars Fan, alles über die alte Trilogie habe ich verschlungen. Somit war auch die Filmmusik – besonders von Episode 6 – eine Reise in eine neue Welt. Dank der Doppel-CD zur Special Edition lerne ich auch Kuriositäten wie „Jedi Rocks“ oder die doch sehr kitschige Endzermonie lieben. John Williams war damals allgemein hoch im Kurs bei mir, auch dank einer Compilation mit vielen Theme Songs. Heute höre ich diese Musik interessanterweise gar nicht mehr.

Mit welchem Soundtrack bist du im Nachhinein auf die Nase gefallen, weil er doch nicht mehr so toll wirkte, wie noch im Film?
Hier gibt es viele Kandidaten, eine grosse Enttäuschung war aber „Tron: Legacy“ von Daft Punk. Im Film funktioniert die Mischung aus Orchester und Techno sehr gut, gerade weil die Musik es versteht, die grossartigen Bildern episch zu untermalen. Wenn man zu „The Grid“ durch die Stadt gleitet, oder zu „End Of Line“ den futuristischen Club betritt, ist das geil. Ohne Bilder aber irgendwie fahl und lasch. Die Musik plätschert vor sich hin und man fragt sich, wieso Daft Punk nicht mehr gewagt haben. Schade, denn das kurz danach erschienene Remix-Album macht vieles besser, mit wenig Mehraufwand.

Welchen Soundtrack hast du dir als letztes angehört/durchgehört?
Faszinierend fand ich die Musik in Birdman. Der komplette Soundtrack besteht nur aus einem virtuos gespielten Jazz-Schlagzeug und verbindet die endlosen Kamerafahrten mit wilder Musik und Polyrhythmik. Wenn dann plötzlich der Schlagzeuger sogar selber im Film auftaucht und die handelnden Figuren mit ihm interagieren, fügt sich dies dank der Meta-Ebene wunderbar in das verspielte Drehbuch ein. Grossartig anders, künstlerisch gewagt.
Zuletzt gekauft habe ich mir Gone Girl und Interstellar, dazu sind hier auf dem Blog die Kritiken zu finden. Beide empfand ich auf ihre eigene Art und Weise bewegend und mitreissend.

Weitermachen darf:
Autopict, Call Me Appetite, andiau

Underworld – Dubnobasswithmyheadman (1994 / 2014)

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Underworld – Dubnobasswithmyheadman
Label: Universal UMC, 2014
Format: 5 CDs in Schuber, mit Buch und Downloadcode
Links: Discogs, Band
Genre: Techno, Electronica, Ambient

Vor 20 Jahren veränderten Karl Hyde, Rick Smith und Darren Emerson nicht nur die musikalische Ausrichtung von Underworld komplett (die Vorgänger „Underneath The Radar“ und „Change The Weather“ sind in der Verwandlung erst auf halber Strecke), sondern beeinflussten den Dance-Sound auf der ganzen Welt. Das Album mit dem sperrigen Titel „Dubnobasswithmyheadman“ verband erstmals pochenden Techno und Dance mit entspannter Atmosphäre und vor allem: Sprechgesang. Die Stimme von Karl Hyde untermalt die Tracks mit kryptischen Textzeilen und sich wiederholenden Parolen. „Thunder thunder lightning ahead. Now I kiss you dark and long“, „And I see Elvis! And I hear God on the phone“ oder „I’m the spoonman. Talks to God. Transfusion. Penetration.“ Daraus muss sich jeder selber zusammenreimen was die Aussagen zu bedeuten haben, der Musik tut dies aber mehr als gut.

Jedes Lied ist eine kleine Reise in die Welt der Clubs und tanzenden Meuten. Aber Underworld bleiben dabei immer ruhig und kreieren sanfte Beats die treiben und gerne ins Bein gehen. Zeit geben sie sich genug: Bis zu 13 Minuten lang wurden die Teile, welche als Gesamtes ein wunderbar stimmiges Album ergeben. Bis heute steht es an der Spitze der intelligenten Clubmusik aus England und weiss auf mehrere Arten zu gefallen: Die Lässigkeit mit der die Musik präsentiert wird – wie eine kuschelige Ecke im After Hour Club, die verwirrenden und oft sogar verängstigenden Texte, die merkwürdigen Soundeffekte und effektvollen Einspielungen und natürlich die tollen Beats und Gitarren. Stücke wie „Mmm…Skyscraper I Love You“ oder „Dirty Epic“ haben sich zu Klassiker gemausert und stehen anderen Hits von Underworld wie „Rez“ oder „Born Slippy“ in nichts nach. Eine würdige Jubiläumsbehandlung ist bei diesem Album also mehr als verdient.

Das volle Feierpaket erhält man mit der fünffachen CD-Box, die mir hier vorliegt. Nebst dem klanglich überarbeiteten Originalalbum auf der ersten Silberscheibe erhält man massig zusätzliches Material, mit dem es sich vorzüglich in die Welt rund um „Dubnobass…“ eintauchen lässt. Je eine CD enthalten die Singles, Remixes, alternative Versionen und eine live aufgenommene Probesession mit vielen Improvisationen. Klar ist dies zuerst einmal ein völliger Überfluss an Material. Wer will schon sechs verschiedene Aufnahmen von „Dark & Long“ an einem Tag anhören. Nimmt man sich aber Zeit für dieses Set, entfalten sich bald neue Sichtweisen auf die Produktion, den damaligen Zeitgeist und die Arbeitsweise von Underworld. Es gelingt somit, eine stimmige Momentaufnahme der mittleren Neunziger zu erschaffen und auch Spätgeborenen ein klares Bild zu vermitteln.

Also dann nicht wie los, abzappeln zu „Dirty Epic“, alles zertrümmern zum wunderbar krachenden „Cowgirl“ oder in älteren Zeiten des Synthie-Pop schwelgen mit „M.E.“. „Dubnobass…“ bietet alles, was ein Techno / House Album bieten soll und wird wohl auch in den nächsten Jahren nicht übertroffen oder für unwichtig erklärt werden.

Anspieltipps:
Mmm…Skyscraper I Love You, Dirty Epic, Cowgirl

Das dazu passende Getränk:
Ein Gin & Tonic mit Gurke und Pfeffer, mit stylischen Plastikbecher frisch aus dem Club.