Dark Wave

The Beauty Of Gemina – Minor Sun – Live in Zürich (2017)

The Beauty Of Gemina – Minor Sun – Live in Zürich
Label: TBoG Music, 2017
Format: Doppel-CD im Digipak
Links: Facebook, Band
Genre: Dark Wave, Gothic

Aus weiss wird schwarz, aus der Annäherung an das Licht wird wieder eine Rückkehr in die düsteren Gebiete. Auch wenn die grösste Gothic-Band aus der Schweiz 2016 mit ihrem neusten Studioalbum „The Minor Sun“ sich noch stärker an die sanften Seiten des Dark Wave gewagt hat, mit ihrem Live-Statement „Minor Sun – Live In Zürich“ werden keine vergangenen Taten und Seiten vergessen. The Beauty Of Gemina feierten an ihrem Konzert im X-Tra in Zürich nämlich nicht nur eine neue Platte, sondern auch ihr zehnjähriges Bestehen. Und wer diesen Moment aus welchen Gründen auch immer verpasst hatte, erhält jetzt die Chance, seine Lücken zu füllen.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass die Gruppe um Frontmann Michael Sele erst seit zehn Jahren besteht. Denn in dieser kurzen Zeit haben sie nicht nur das Feld des Dark Wave von hinten aufgerollt, sondern auch sechs Alben mit einem grossen Facettenreichtum aufgenommen. Diesem Vermächtnis wird nun mit der neusten Live-Veröffentlichung Tribut gezollt – auf beste Weise. Das Konzert vom November lässt sich nämlich nicht nur ab CD, DVD und Bluray bestaunen, The Beauty Of Gemina haben es beim Auftritt auch geschafft, all ihre Phasen wunderbar zu verbinden. Alte Kracher wie „Hunters“ gesellen sich neben Neuheiten wie „Crossroads“ oder die Mittelphase wie „Haddon Hall“.

Dank erweiterter Band erhält man sanfte, akustische Stücke wie auch krachende Synth-Hymnen. The Beauty Of Gemina beweisen auf „Minor Sun – Live in Zürich“ erneut, dass nur die Perfektion für sie genügt – und das ist auch gut so. Denn auch ab Konserve ist der Auftritt ein mitreissendes Erlebnis, eine Zelebration des guten und dunklen Geschmackes. Ob man nun beim pompösen „End“ zu Beginn oder dem krachende „Down On The Lane“ am Ende freudig aufschreit – hier finden sich alle Nachtgestalten wieder.

Anspieltipps:
Haddon Hall, Crossroads, The Lonesome Death Of A Goth DJ

Dieser Text erschient zuerst bei Artnoir.

Nathan Gray Collective – Until The Darkness Takes Us (2017)

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Nathan Gray Collective – Until The Darkness Takes Us
Label: aio Records, 2017
Format: Download
Links: Facebook, Band
Genre: Dark Wave, Rock

Extreme Emotionen – gleich mit „Heathen Blood“ packt dich Nathan Gray und kriecht dir tief unter die Haut. Seine markante Stimme geht in der perfekten Melodie auf, der eindringliche Text mit der druckvollen Musik erledigt den Rest. Schnell ist klar: Mit der ersten Platte des Nathan Gray Collective werden keine Gefangen gemacht. Doch „Until The Darkness Takes Us“ erzählt auch zu wichtige Geschichten, um die Hörer ungeschoren davonkommen zu lassen. Hier vermengen sich persönliche Betrachtungen mit Schreckensbildern der aktuellen Zeit, Rituale treffen auf digitale Umnachtung.

Um eine solche Bandbreite abdecken zu können, greift der Frontmann von Boysetsfire zusammen mit Daniel E. Smith tief in die Kiste der düsteren Musik. Dark Wave trifft auf Industrial, Dark Rock versinkt im Sumpf des Gothic. Zwischen akustischen Zusammenbrüchen findet man laut pochende Beats, Synthies zersägen das Schlagzeug mit triefenden Klingen. „Until The Darkness Takes Us“ erscheint zuerst etwas überladen, doch schnell wird einem klar: Die vorgelegte Reise des Nathan Gray Collective ist in sich schlüssig und zeigt schlussendlich in jedem Takt die Menschlichkeit.

Wer den Musiker vor allem aus seiner Tätigkeit bei der Post-Hardcore-Gruppe kennt, der wird bei tanzbaren Hits wie „Skin“ zuerst etwas verwirrt das Cover studieren. Aber für jeden Versuch gibt es auch klassische Angriffe wie das fulminante „At War“. Das Nathan Gray Collective führt mit seiner ersten Scheibe somit Leidende und Suchende aus vielen Lagern auf das Schlachtfeld und bringt sie gemeinsam in die Siegeszone. Zwar muss man unterwegs bluten, doch die Läuterung findet statt. Und das Album hört sich am besten ganz laut – im Verbund mit Wutausbrüchen, heftigstem Weinen und finaler Zuversicht.

Anspieltipps:
Skin, Desire, Set Up, At War

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

https://vimeo.com/193766501

Tetrolugosi – II (2016)

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Tetrolugosi – II
Label: Eigenveröffentlichung, 2016
Format: Download
Links: Facebook, Bandcamp
Genre: Dark Wave, Gothic

Gibt es etwas besseres, als an einem grauen und nassen Sonntag den Grusel in seine Wohnung zu lassen und nach ein paar Folgen „American Horror Story“ groteske Musik aus seinen Lautsprechern kriechen zu lassen? Das italienische Duo Tetrolugosi bietet mit seinem zweiten Album „II“ genau die richtigen Erzählungen in Klangform – irgendwo zwischen Gothic, Dark Wave und Horror-Show. Aufgeführt werden die Episoden mit schräg klingenden Orgeln, zwielichtigen Gesängen und dem immer fremd erscheinenden Theremin.

Aus Ripatransone stammend und seit 2013 aktiv, setzen Sara Pardisi und Camillo Perazzoli die Tradition der unheimlichen Musik in Italien fort – ein Land, das schon immer sehr eigenwillige Perspektiven zu Horror und Kunst hatte. Blut fliesst hier nur mit Worten, dafür zeigen Tetrolugosi ihre Art von Walzer, längst vergessenen Freakshow-Melodien und laden mit „Circus“ in eine Geisterstadt voller Artisten und Clowns ein. Jedes Lied verändert den Sound von „II“, mit „Inferno“ lassen sie sogar den verschrobenen Geist von David Byrne das Stück in Richtung Talking Heads lenken.

Und mit „Wrath Of God“ reissen Tetrolugosi dann völlig überraschend das Steuer herum und landen mit allen Utensilien und Giftmischungen inmitten einer elektronischen Gothic-Party. Das Duo trampelt dabei allen Szenengängern frech auf den Füssen herum und kapert die Beats für ihre Orgeln. Egal ob man nun über Friedhöfe tanzt, in tiefschwarzen Wäldern Figuren aus Ästen zusammenbindet oder Schlangen für Rituale aufschneidet – Tetrolugosi spielen bis zum bitteren Ende weiter. „II“ ist ein erfrischend obskures Album, welches selten unserer Welt zuzuordnen ist, aber an jedes makaberes Fest passt.

Anspieltipps:
Under The Full Moon, Inferno, Wrath Of God

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Live: The Beauty Of Gemina, X-Tra Zürich, 16-11-19

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The Beauty Of Gemina
Support: Spencer
Samstag 19. November 2016
X-Tra, Zürich

„This is the lonesome death of a goth dj“ – vielleicht auf eine gewisse Weise, aber die Rückkehr der Gothic-Rock-Band The Beauty Of Gemina in die Schweiz zu erleben, war in keinster Weise einsam und tot. Endlich schaffte es die Grösse, auf ihrer „Minor Sun“-Tour auch in Zürich einen Halt einzulegen. Nach gefeierten Shows im Ausland war es an der Zeit, dass die Gruppe auch hierzulande das neuste Werk vorstellt. Und warum die Gelegenheit nicht gleich dazu nutzen, eine Live-DVD zu produzieren? Doch der Abend war auch ohne diese zusätzlichen Gedanken und Taten ein voller Erfolg.

Dies begann schon bei der Wahl des Supporting Acts. Spencer aus Baden (AG) zeigten mit ihren Songs, dass man Rock und New Wave auch so dunkel spielen kann, dass es sich perfekt in diese Anlässe einfügt. Sicherlich beschränkte die Gruppe ihr kurzes Set auf die eher düsteren Lieder – Spass hatten die Musiker an ihrem Auftritt aber zu Genüge. Diese Euphorie schwappte auch auf das Publikum über, und Stücke wie „Firework“ erschallten lautstark. Schön, dass gegen Ende des Sets auch die Beats und schwarzen Synths eine Plattform erhielten. Und die wunderbar tiefe Stimme von Frontmann Leo Niessner in Kombination mit seinem Charme tat ihr übriges.

Michael Sele setzte diese Wirkung mit seinem Stimmorgan perfekt fort – weiss der Herrscher von The Beauty Of Gemina schliesslich seit Jahren die Leute mit den unteren Oktaven zu bezirzen. Und so stürzte sich die Band von Beginn an in einen Auftritt, der nicht nur das zehnjährige Bestehen der Goth-Meister feierte, sondern auch ihren gesamten Katalog wunderbar abbildete. Von „Haddon Hall“ über „Hunters“ zu „Crossroads“ –  immer zwischen Gitarrenkaskaden, geisterbeschwörenden Bässen und bezaubernden Cello-Akkorden pendelnd. Gleich wenige Minuten nach dem Ende des Videointros und dem Fall der Leinwand zeigte die Band, dass sie zu Recht eine Institution im Bereich des Goth-Rock darstellen.

In absoluter Perfektion und mit viel Talent steuerte Sele seine Mannen von einem Höhepunkt zum anderen. Endlich durfte man sich wieder ausdrucksstark zu „Suicide Landscape“ bewegen oder den „Dark Rain“ spüren. Dank personeller Verstärkung mit dem neuen Tourgitarristen Simon Ambühl und dem Cellisten Raphael Zweifel wurde der Sound des Trios fantastisch erweitert und man versank mit gesamten Geist und Körper in der Darbietung. Die wirkungsvolle Lichtshow und vereinnehmenden Gesten von Sele taten ihr Übriges – und auch nach der dritten Zugabe wollten die Besucher mehr.

The Beauty Of Gemina brannten ein wahres Feuerwerk an melancholischer Musik ab und machten somit die Aussage des Stempels obsolet. „Lach mal“ steht auch heute noch auf meinem Handgelenk – und wenn ich an diesen fulminanten Abend zurückdenke, kann ich gar nicht anders.

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

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Live: IAMX, Schüür Luzern, 16-11-02

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IAMX
Mittwoch 02. November 2016
Schüür, Luzern
Setlist

Wenn man eine Band innerhalb eines Jahres drei Mal auf ihrer Tour besucht, dann müssen Musik und Präsentation schon sehr fesselnd und bedeutsam sein. Wobei auch der Wechsel der Auftrittsorte immer wieder für neue spannende Momente sorgen kann – die Schüür Luzern kannte ich bisher sogar nur vom Namen her. Wenn also Chris Corner mit seinem Dark-Wave-Flaggschiff IAMX zum Tanze ruft, dann lasse ich mich nicht zwei Mal bitten. Mit „Everything Is Burning“ hat die Gruppe vor kurzem ihre neuste EP veröffentlicht und somit die Tour zum Album „Metanoia“ in Verlängerung gebracht. Nach Aarau und Winterthur galt es nun, die Stadt in der Zentralschweiz zu besuchen.

Wer in sein Set mit drei Krachern wie „No Maker Make Me“, „Happiness“ und „Nightlife“ einsteigt, der beweist zwei Dinge: Als Künstler muss er seinem Publikum nichts mehr beweisen, hier dürfen auch die grossen Hits gleich zu Beginn beben – und ein spärlich besuchter Auftritt ist für IAMX noch lange kein Grund, spärlich mit der Energie umzugehen. Denn obwohl nur erstaunliche wenige dunkel gekleidete Personen das Lokal aufsuchten, entwickelte sich gleich mit den ersten Klängen eine wunderbare Stimmung. Tanzen, jubeln, schreien und mitfühlen – bei IAMX geht es auch immer darum, sich von der Umgebung und den Zwängen zu lösen.

Was in der oft brachialen Synth-Pop Musik bestens funktioniert und in einzelnen Stücken zu absurden Steigerungen führt, überträgt sich sehr schnell auf die eigenen Emotionen. Man leidet mit Corner, stampft seine Füsse auf den Boden und vollbringt kunstvolle Tanzbewegungen. Dabei wird man eins mit der düsteren Lichtshow, vermengt sich mit den grusligen Videoprojektionen und schlüpft zwischen Stimmeffekten und Keyboards hindurch. Egal ob man dabei vor Gefühlen schier verzweifelt wie bei „North Star“ oder auch mal schunkelnd zu „Screams“ die Augen schliesst – Empathie und Zusammengehörigkeit sind die treibenden Elemente.

Diese Themen, die von IAMX sehr oft direkt in den Songtexten thematisiert werden, entfalten live extreme Intensität. Wobei ein Konzert von der Gruppe auch ganz schnell zu einem kollektiven Rave anwächst und die Musiker sich gerne verausgaben. Toll, dass auch eher selten gehörte Stücke wie „You Stick It In Me“ oder „This Will Make You Love Again“ die Schüür erschütterten und den Gang in die nasskalte Nacht mehr als rechtfertigten. Denn wer beherrscht den Wintereinbruch schon besser als Chris Corner?

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

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The Beauty Of Gemina – Minor Sun (2016)

Beauty Of Gemina - Minor Sun

The Beauty Of Gemina – Minor Sun
Label: TBoG Music, 2016
Format: Download
Links: Facebook, Band
Genre: Dark Wave, Folk

Hell und weiss, völlige Abkehr der Nacht und ein androgyn wirkendes Gesicht – was auf dem Cover von „Minor Sun“ den Hörer empfängt, könnte Gruftbewohner kurz abschrecken. Doch Angst zu haben ist völlig unnötig, das neuste Album der Schweizer Dark Wave-Könige The Beauty Of Gemina ist eine natürliche Weiterentwicklung der bisherigen Veröffentlichungen und offenbart im Inneren einige Überraschungen. Unaufgeregt und einen weiteren Schritt weg von dem Geballer einer Goth-Tech-Party, mit Verstand und viel Melodie.

Michael Sele ist nicht nur Frontmann und Gründer der Gruppe, sondern auch Dirigent und Zeremonienmeister. Die Musik muss dadurch seiner Vorstellung entsprechen, die zwei weiteren Mitglieder wandeln vor allem seine Ideen in Klang um. Im Gegensatz zu anderen Diktatoren passiert bei The Beauty Of Gemina aber nichts schlechtes, denn das Album lebt von der Vision und Leitung. Das Stimmungsbild und Klanggefühl bleibt dem gewohnten Umfeld erhalten, ohne repetitiv oder einschränkend zu wirken. Die Schweizer vermögen ein weiteres solches Album zu tragen und wagen sich noch stärker in die Gebiete der Gitarre.

Je mehr Folk nun Platz findet, desto stärker wird die Elektronik zum schmückenden und mysteriösen Element. Lange Stücke wie „Waiting In The Forest“ wirken meditativ und begleiten durch den Tag. Die kürzeren Songs sind teilweise zwar etwas zu simpel, „Close To The Fire“ zeigt aber, dass The Beauty Of Gemina auch starke Refrains gut stehen. Mit „Crossroads“ wagte sich Sele gar an ein Cover eines staubigen Folksongs. Somit ist „Minor Sun“ ein wunderbar angenehmes und vereinnahmendes Album, ein wahr gewordener, poetischer Wunsch – nicht nur für Fledermäuse.

Anspieltipps:
Waiting In The Forest, Crossroads, Winter Song

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

IAMX – Metanoia (2015)

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IAMX – Metanoia
Label: Orphic, 2015
Format: Vinyl im Gatefold
Links: Discogs, Band
Genre: Dark Wave, Synth-Pop

Die Welt wird wieder ein Stückchen schwerer und das Tanzen funktioniert wieder besser mit schwarzer Schminke im Gesicht und hängenden Schultern: IAMX sind wieder da und steigen erneut in ihre eigene Welt aus Synth-Pop, Selbstverstümmelung und Dark Wave ab. „Metanoia“ wurde erneut dank kräftiger Mithilfe der Fans auf die Beine gestellt und lässt diese auch nicht im Schatten stehen. Denn was IAMX hier abliefern ist ihre bekannte und geliebte Eigenständigkeit – ein Zustand, der gerne alle Grenzen durchbricht und sich selber nicht zurückhalten kann. Warum auch, die Emotionen sind einfach zu stark.

Bereits in „No Maker Made Me“ singt uns Chris Corner gegen Ende des Liedes die Zeilen heftig entgegen, die Beats knacken krumm und dreckig. Synthspuren foltern Melodien scheinbar unbarmherzig, trotzdem wollen die Laute nie falsch klingen. Synth-Pop mischt sich genial mit Wirkungen des Techno, der Dark Wave akzeptiert die Veränderungen ohne mit den Wimpern zu zucken. IAMX wussten sich von Beginn an in ihrem eigenen Klangkosmos einzunisten und haben diese Gestalt perfektioniert. Corner ändert auch auf „Metanoia“ nichts an dieser Formel – man weiss also, was einen erwarten kann. Trotzdem, die neuste Platte ist wieder auf der grüneren Seite der Wiesen. Oft hatte ich meine Probleme mit den Alben, wollten mir doch immer nur etwa die Hälfte der Lieder wirklich gefallen. Hier startet Chris aber mit voller Wucht und Breitseite in ein neues Abenteuer und knallt bereits auf der ersten Seite mit „Happiness“ und „North Star“ verführerische Highlights raus. Höchst emotional und persönlich dienen viele Songstrukturen nur dazu, den Gesang und die Keyboards am Ende komplett zum Ausrasten zu bringen. Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn man sich zusammen mit dem Künstler ungeniert verausgaben und endlich mit Schreien und zackigen Bewegungen in dunklen Räumen austoben kann. Obwohl diese Qualität nicht durchgängig gehalten wird macht es Spass, wie ein Kobold den Kapriolen zu folgen.

„Metanoia“ ist ein weiterer Schritt einer Reise, die Chris Corner zusammen mit Gefolgschaft und Hörern vor fünf Alben begonnen hat. Unter dem Banner IAMX steht er dabei für eine Klare Richtung und Einstellung. Man muss der Musik schon verfallen sein, um hier wieder in grossen Jubel auszubrechen. Denn wirklich neu wirken Lieder wie „The Background Noise“ nicht. Wer aber schon immer Freude an IAMX hatte, der wird auch hier einen neuen Spielgefährten finden. Bis zum nächsten Album.

Anspieltipps:
No Maker Made Me, North Star, Oh Cruel Darkness Embrace Me

Live: IAMX, Salzhaus Winterthur, 16-03-24

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IAMX
Donnerstag 24. März 2016
Salzhaus, Winterthur
Setliste

Ekstase – ein Wort reicht aus, um den aktuellen Zustand und Verlauf der Metanoia-Tour von IAMX zu erklären. Das Soloprojekt von Chris Corner aus London reist seit letztem Jahr erneut durch die Welt und versetzt schwarz gekleidete Menschen, düstere Clubs, Städte und Gemeinschaften in helle Aufregung. Clubmusik gepaart mit emotionalem Weltschmerz, flüssige Lavamelodien mit knusprig erhitzten Beats – der Siegeszug der Band setzt sich unaufhaltbar fort.

Jedenfalls fast gänzlich, denn dank dem Verkehrschaos vor Ostern trafen IAMX etwas später als gedacht im Salzhaus ein. Doch ein solch heftiges Konzert passt so oder so besser in die späten Nachstunden als in den Abend voller Biergespräche. Diese verstummten auch alsbald Chris und seine drei Mitmusikerinnen und -musiker die Bühne betraten und zwischen vier Leinwänden, unzähligen elektronischen Gerätschaften und Scheinwerfern ihre Plätze einnahmen. Was dann folgte, war eine Urgewalt – ein erneuter Beweis, dass die Band es blendend versteht, alle Menschen in einem Raum von der ersten Sekunde an mitzureissen. Die Keyboards und Synths hauten laute und eingängige Melodien raus, das Schlagzeug füllte die Leerstellen mit tanzbaren Beats und Rhythmen. Der Wohlklang wurde immer wieder mit Verzerrung und Albträumen gemischt, die Stroboskoplichter und Nebelmaschinen verwirrten die letzten klaren Gedanken. Wer sich am Anfang noch etwas über die Zurückhaltung wunderte, der wurde spätestens beim vierten Song mit in die Hölle genommen und nahm an der unendlichen Tanzparty teil.

Man erhielt das Gefühl einer Batterie, die mit jedem Lied stärker aufgeladen wurde und bei den Ausbrüchen von „Nightlife“, „No Maker Made Me“ oder „Your Joy Is My Low“ schier zu platzen drohte. IAMX gönnten dem Publikum wenig Ruhe und reihten lieber einen druckvollen Knaller an den anderen. Ihre Mischung aus hartem Dark Wave und modernstem Synth-Pop erzielte den vollen Effekt. Es sagt viel über die Gruppe aus, dass mich dieses Konzert so umgeworfen hat – zuletzt sah ich sie nämlich noch vor wenigen Monaten im KiFF. Doch wenn während 90 Minuten die Musik über allem dröhnte, die Videoschirme unablässig verstörende Bilder zeigten und die Lichter schier konstant Photonen in die Fresse der Zuschauer hauten, dann war dies ein hochemotionales Miteinander. Chris Corner thronte mit seiner melancholischen und oft schreiend verzweifelten Stimme als Herrscher über uns allen. IAMX spielten nicht nur ein Konzert, sie eroberten und erschlugen.

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Live: Würger, Provitreff Zürich, 16-02-12

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Würger
Bands: Machinegun Coxxs, DustInEyes, Koraktor, Veil Of Light
Freitag 12. Februar 2016
Provitreff, Zürich

Ein Pfeifen in den Ohren, die Sicht durch Nebel eingeschränkt und die Augen von Scheinwerfern geblendet. Zwischen schwarzen Mänteln und Jeansjacken findet man den Weg von der Sihl zu der Bar, aus dem Saal dröhnt der Dark Wave von Koraktor. Obwohl der Name vorgaukelt, die Besucher werden hier verzaubert und somit in die Irre geführt, weiss die Band aus Zürich genau, was reale Wucht ist. Bässe dröhnen, Beats schlagen Löcher in den Bühnenboden und die dunklen Seelen werden heraufbeschwört. Das Provitreff machte eine Nacht lang die Türen auf, um das musikalische Universum des Trios zu zelebrieren, die perfekte Gelegenheit um die Sau raus zu lassen.

Wobei, mein eigentlicher Besuchsgrund reiste als einzige Band aus Italien an. DustInEyes, eine Formation aus der Vergangenheit, eine Wirkung für die Zukunft. Die Gruppe existiert seit Jahren, fand in Flo aber endlich eine neue und passende Sängerin. Der dreckige Rock’nRoll wird durch ihre Stimme noch wilder, die Lieder durchgraben alle Tiefen und Möglichkeiten der Gitarrenmusik. Ohne Rücksicht und Kompromisse startete die Band in ihr Set und verzichtete sogar auf Pausen zwischen den Songs. Warum auch? Schliesslich kamen die Leute ins Provitreff um ihre Haare zu schwingen und nicht um zu Tee Diskussionen zu führen. Somit wurden die Ohren unbarmherzig beschallt, zwischen harten Riffs und heftigen Attacken des Schlagzeugs rüttelten die Bassspuren am Fundament.

Sex und Rock gehören schon seit eh und je zusammen, die Italiener mit Schweizer Gesangskraft bewiesen diesen Umstand einmal mehr. Da war der Einstieg mit Machinegun Coxxs etwas schwieriger. Das Trio aus Zunzgen bretterte auch wild los, verfing sich leider etwas in den Wechseln ihrer Songs. Ihr schwerer Rock mischte sich mit Augenzwinkern des Metal und Stoner, Motörhead wurden passend gehuldigt. Trotzdem konnte die Musik ihre versuchte Wirkung nicht einholen, vielleicht wären ein paar weitere Überlegungen nötig. Passend fügte sich aber alles im Provi zusammen, endlich wieder einmal ein Abend mit kleinen und ehrlichen Bands, voller Lust und Potential. Erstaunlich, wie sich hier Goth, Punk und Rock zusammen fand um zu feiern. So etwas macht Spass, besonders mit Freunden und wilden Körperbewegungen.

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The Beauty Of Gemina – Anthology Vol. 1 (2015)

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The Beauty Of Gemina – Anthology Vol. 1
Label: Danse Macabre, 2015
Format: Download
Links: Band
Genre: Dark Wave

„Grew up in this Shadow-land / With a Suicide Landscape / Where the black Birds are singing / Where the black Birds are falling down“. Und auch wenn der Beginn so trostlos und düster war, so voller Licht ist der Zustand heute. The Beauty Of Gemina, die Schweizer Vorzeigeband aus dem Bereich Gothic und Wave hat eine lange Reise hinter sich. Acht Jahre liegen bereits seit dem Debüt zurück, über 150 Konzerte in vielen Ländern in Europa wurden gespielt. Der Zeitpunkt ist erreicht, inne zu halten und über Erreichtes nachzudenken. Die Band ermöglicht dies nicht nur sicher selber, sondern mit der Zusammenstellung „Anthology Vol. 1“ auch ihren Fans. Und wie von den Mannen gewohnt, stimmt auch hier alles.

The Beauty Of Gemina haben in der Musikszene unseres Landes eine Ausnahmestellung. Seit 2007 schaffen sie es, Jahr für Jahr mehr Menschen anzusprechen und grössere Erfolge einzufahren. Michael Sele, der alleinige Herrscher dieses Kahns, weiss genau wie Musik mit Spinnwebenanleihen funktioniert. Nie war er sich für Experimente zu schade, immer trat er mit grossem Selbstbewusstsein auf. So wandelte sich der Klang der Band bereits früh vom Gothic-Rock mit Industrial zu Dark Rock. Die Musiker machten sich im Wave breit, liessen ihre Lieder den Schwerpunkt auf Melodie und von Hand gespielte Instrumente legen. Diese neue Lockerheit machte sich im schwarzen Umgang wunderbar, auch Seles Akzent wurde immer kleiner. Doch warum ausharren, wenn man noch weiter gehen kann? Die Lieder wurden traumähnlicher und das Interesse an akustischer Darstellung überwiegend. Mit diesem Schritt kam der Ruhm in ganz Europa, die eigene Verletzlichkeit führte zu neuem Erfolg. So ist es eine lange Reise von „Suicide Landscape“ über „Dark Revolution“ zu der filigranen Akustikvariante von „Hunters“ – lang, aber immer schlüssig und in sich logisch. Ein Weg, der Kumulationen in Form von wunderbaren Liedern wie „June 2nd“ zuliess.

Genau so erlebt man auch die Compilation „Anthology Vol. 1“: Schritt für Schritt begleitet man die Band auf einer chronologisch stimmigen Reise. Nebst altbekannten Hits darf man in den Burgruinen aber auch nach Seltenheiten suchen. So wurden tolle Konzertaufnahmen auf das Album gepackt, einzelne Lieder sogar neu und reduziert aufgenommen. Grossartig ist dabei die geschrumpfte, aber immer noch intensive Version von „Darkness“. Gitarre und Gesang siegen über krachende Beats und Fledermaussynths. Ein weiterer Punkt, in dem sich das Talent und Können von The Beauty Of Gemina spiegelt. Ihr Gespür für die Essenz in den Stücken ist ungebrochen und beeindruckend. Mit dieser Zusammenstellung macht also niemand etwas falsch, weder Band noch Käufer. Fans finden neue Perlen, Einsteiger erfassen auf einen Blick die Faszination der dunklen Schönheit. Zugreifen und den Schnee schwarz anmalen.

Anspieltipps:
Suicide Landscape, June 2nd, Dark Rain (Live In Zürich)