Schüür

Live: Granular, Schüür Luzern, 17-12-01

Granular
Support: Visions In Clouds
Freitag 01. Dezember 2017
Schüür, Luzern

Wenn es etwas zu feiern gibt, dann lädt man am besten seine Freunde ein. Und wenn diese auch gleich noch einen Grund zur Freude mitbringen, dann ist der Abend doch komplett. Dies dachte sich auch die Luzerner Band Granular, die am Freitagabend in der Schüür ihr erstes Album „XI“ taufte – und dazu Visions In Clouds mit auf die Bühne holte, die ebenfalls aus der Stadt mit dem Touristenüberfluss stammen und vor kurzen eine neue EP veröffentlicht haben. Kein Wunder also, standen bereits vor Showbeginn leere Champagnerflaschen im Saal.

Die Musik von Granular eignet sich sowieso perfekt, um von bitteren Stoffen zu auflockernden und bunt schmeckenden Getränken zu wechseln. Ihre Lieder hat die Band, welche früher unter dem Namen Augustine’s Suspenders die Leute zum Tanz animierte, nämlich im Bereich des modernen Pop angesiedelt. Ob bereit für die Radiowellen, soulig angehaucht oder dann doch lieber mit Indie-Gitarren versehen, eingängig ist die Musik der jungen Männer immer. Alsbald bewegten sich die Zuschauer dann auch zu „Something In Between“ oder „I Need You“ und genossen die Emotionalität zwischen farbigem Licht und bestrahlten Schlagzeugbecken.

Sicher, es fehlte vielleicht manchmal etwas die dunkle Seite des Klangs – doch vielseitigen Pop zu vernehmen, kann ja auch ganz gut ins Wochenende führen. Schön auch zu sehen, dass nicht nur viele Freunde von Granular anreisten, sondern die Band spielfreudig über den Leuten thronte und fleissig ihre Instrumente wechselte. Endlich wurde auch geklärt, wie man das Album nun aussprechen darf: Eleven. Das passt ja schlussendlich auch perfekt zum weltoffenen Klangbild dieser Scheibe.

Eher introvertiert und nachdenklich gaben sich die Lieder bei Visions In Clouds. Locker zwischen New Wave-Zitaten, Post-Punk-Gebrummel und Indie-Höhengefühl wechselnd, versanken nicht nur Musiker und Besucher in tiefen Schatten und blauem Licht. Die ganze Welt wurde für einen Moment kühler, polyphone Synthies und stringente Schlagzeugwirbel zur Familie. Und da die Luzerner seit neustem auf dem Pariser Label Manic Depression zuhause sind, nutzten sie diesen Anlass, um einen Song von Crying Vessel zu covern. Man ist in dieser kleinen Szene halt schnell eine Gemeinschaft.

Dieser beizutreten legten Visions In Clouds allen Anwesenden ans Herz und boten den besten Grund mit der kompletten Darbietung ihrer neusten EP „Levée En Masse„, deren Stücke sich zwischen schnell und treibend und melancholisch-verträumt bewegen. Musik für den Winteranfang, die zwar den Schnee nicht so schmelzen lässt wie bei Granular, aber die Hoffnung an Geborgenheit auch niemals aufgeben würde.

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Live: Warhaus, Schüür Luzern, 17-11-22


Warhaus
Support: Ursina
Mittwoch 22. November 2017
Schüür, Luzern

Wie schnell sich ein Club doch noch füllen kann, ist immer erstaunlich. Zu Beginn des Abends war der Barraum der Schüür in Luzern nämlich noch eher spärlich mit Besuchern bestückt, doch als Maarten Devoldere dann zusammen mit seiner Band die Bühne betrat, gab es praktisch keinen freien Zentimeter mehr. Warhaus haben sich innert weniger Monate und mit nur zwei Studioalben einen Ruf erarbeitet, der auch am Mittwochabend viele Menschen aus ihren warmen Wohnungen lockte – und dies zu Recht. Gut gelaunt und voller Elan präsentierten sie das neue Album „Warhaus“ und brachten einige zum Schmachten.

Dies lag aber nicht nur an dem optisch positiven Eindruck, den die vier Mannen an den Instrumenten hinterliessen, sondern auch an den Kompositionen selber. Warhaus haben sich unter der Federführung von Devoldere nicht nur als eigenständige Band neben Balthazar emanzipiert, sondern mit ihrer Mischung aus verruchtem Indie, lockerem Jazz und nächtlicher Lust wahre Songperlen erschaffen. Was auf Platte oft leicht fragend und etwas zurückhaltend erschient, wurde in der Schüür zu einer direkten Aussage und einem lauten Ausrufezeichen. Das verschmitzte Spiel zwischen Frau und Mann wurde ohne Sängerin Sylvie Kreusch eine direkte Schlagseite ohne Konfrontation, ein Einblick in die Liebespsyche des männlichen Wesens.

Dank dem spontanen Eingreifen einer jungen Konzertbesucherin und der Übernahme der zweiten Stimme bei „Love’s A Stranger“ wurde Warhaus dann aber doch noch die Stirn geboten, und Devoldere zeigte sich ehrlich erfreut und überrascht. Vielleicht ein Grund, wieso er sich manchmal etwas verzettelte? Wie auch immer, dank vielen Interaktionen mit dem Publikum, einem singenden Spaziergang durch die Ränge und langer Mitsingaktion wurde das Konzert zu einer Feier für die eigene Sinnlichkeit und dem Verbund zwischen Künstler und Fan. Bald bewegten sich alle zu den mitreissenden Takten von „Mad World“, „The Good Lie“ oder „Against The Rich“ und jubelten ausgelassen.

Schön auch, dass sich die Band immer wieder Raum nahm, und Stücke wie „Machinery“ zu lauten und wilden Jam-Sessions ausarten liessen, mit geloopten Bläsern verstärkten und jeden Nachtclub auseinandernahmen. Bei Warhaus wird nun also nicht mehr geflüstert und gestreichelt, jetzt wird kräftig angepackt und gekratzt.

Dagegen gab sich Ursina mit Bassbegleitung Martina richtig zaghaft, spielte aber nicht ohne Charme und liess so manche Melodie wie einen schönen Traum erklingen – ein leichtes Vorspiel also. Ob nun Graubünden oder Belgien, Reize gibt es überall und in Luzern trafen alle im richtigen Moment aufeinander.

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

Live: Moped Lads, Schüür Luzern, 17-03-03

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Moped Lads
Freitag 03. März 2017
Schüür, Luzern

Immer die gleiche Kleidung tragen, wer macht dies schon gerne? Mit der Zeit sind auch die besten Stücke abgenutzt und etwas schmutzig – darum braucht es immer wieder eine Auffrischung. Nachdem bereits das X-Tra zur Besichtigung einlud, zog nun die Schüür in Luzern nach und eröffnete die neu gestaltete Bar. Nebst Ansprachen und Häppchen gab es natürlich auch etwas auf die Ohren – feinster Punk-Rock von den Moped Lads.

Bevor aber die neue Bühne und längere Bar gleich wieder zerlegt wurden, durfte man alles in Augenschein nehmen. Der Raum wirkt dank der neuen Einteilung nun grösser, man hat mehr Platz vor der Bühne und eine bessere Fassstation für das Getränkeangebot. Die Mitarbeiter des Kulturlokals wurden in die Umgestaltung miteinbezogen und durften beispielsweise das Farbkonzept in der Garderobe eigens bestimmen. Auch präsenter sind nun die altehrwürdigen Stützen im Raum, endlich hat sogar die Bühne eine solche Ergänzung erhalten.

Während des Umbaus war die Schüür nie lange geschlossen, somit mussten einige Baustellen immer wieder unterbrochen und die Bar schon fast mühsam oft ein- und ausgeräumt werden. Doch der Aufwand hat sich gelohnt, der vielseitige Kulturort ist wieder gewappnet für jegliche Arten von Veranstaltungen und Luzern umso öfters eine Reise wert. Dass dies mit Lokalmatadoren gefeiert wurde versteht sich von selbst. Die Moped Lads stehen seit vielen Jahren für kratzenden, unsauberen und angriffigen Punk.

Mit ihrer neuen Platte „Maximum PR“ und alten Hits stiegen sie auf die Bühne und wirbelten die Leute durcheinander. Einige waren zwar etwas überrumpelt von der wilden Art der Musiker und den direkten Ansagen, doch dieser Stil soll ja anecken. Und das nächste Mal wird die Party einfach auf die Apéroplatten verlegt, dann gibt es Käsescheiben und Parolen zwischen die Zähne. Womit wir auch wieder bei den dreckigen Klamotten wären …

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

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Live: Knöppel, Schüür Luzern, 16-12-21

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Knöppel
Support: Jack Stoiker
Mittwoch 21. Dezember 2016
Schüür, Luzern

Bierflaschen, aber jetzt echt überall. Reihenweise am Bühnenrand, zerbrochen am Boden, praktisch leer in meiner Hand und zahlreicher als die Besucher – Jack is back, und die anonymen Alkoholiker drehen durch. Nicht nur die zum Glück, sondern ganz viele Wichser aus der Inner-, Ost- und Sonstwoschweiz wagten sich vor den heiligen Tagen noch einmal nach Luzern in die Schüür, um die Punk-Sau rauszulassen. Knöppel ist nicht nur das inländische Musikhighlight 2016, sondern auch live ein Grund um den Mittwochabend in Alkohol und Musik zu ertränken.

Denn Jack Stoiker hat sich nach vielen Jahren in musikalischem Abseits (Wow, grossartige Witz du Wichser) wieder nach vorne gedrängt und mit seiner neuen Band Knöppel das herrliche Mundart-Punk-Album „Hey Wichsers“ veröffentlicht. Darauf findet man nicht nur 18 schrammige und unsaubere Lieder, irgendwo zwischen kaputter Gitarre und besoffenem Sänger, sondern auch fantastisch absurde Texte im St.Galler-Dialekt. Was auf den ersten Blick debil zu sein scheint, stellt sich nach kurzer Zeit als oft sehr grossartige Gedankengänge über die aktuelle Welt – oder zumindest den Alltag der Schweiz – heraus. Und somit war es auch klar, dass man als Besucher der Schüür nicht nur laut mitjohlen konnte, sondern immer wieder Tränen lachte.

Natürlich nimmt sich eine Band wie Knöppel auch nicht bierernst (Stark, du Wichser) und konnte somit nicht nur mit ihren kaputt wirkender Musik in klassischer Dreierbesetzung punkten, sondern auch mit wirren Ansagen und grossartigen Anheizern für das Publikum. Wobei dieses bereits von der ersten Minute an gewilligt war, den Abend zu einer lauten und wunderbaren Party zu machen. Die Texte wurden konstant mitgesungen, die Band beklatscht und Midi in Dialoge miteinbezogen. Dies machte den Auftritt eine wunderbar gelassene Sache und Musiker wie auch Besucher fühlten sich wohl. Oder vielleicht waren auch die überproportional vielen Frauen im Publikum der Grund.

Oder, dass Jack Stoiker sich gleich selber als Support begleitete und somit den Fans endlich wieder die Gelegenheit bot, seine alten Hits wie „Uf em Liintuech“, „Die Tütsche sind blöd“ oder „Regina“ zu geniessen. Stoiker mit elektrischer Gitarre, begleitet von Marc Jenny am Kontrabass und im Anzug gekleidet, führte schnell in den niveauvollen Abend ein. Und plötzlich wurden einem nicht nur neue Punk-Welten geöffnet, sondern auch Alltagsmomente erschienen in neuem Licht. Oder gar nicht mehr, wegen diesem heimtückischen Gebräu in braunen Flaschen.

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

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Live: IAMX, Schüür Luzern, 16-11-02

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IAMX
Mittwoch 02. November 2016
Schüür, Luzern
Setlist

Wenn man eine Band innerhalb eines Jahres drei Mal auf ihrer Tour besucht, dann müssen Musik und Präsentation schon sehr fesselnd und bedeutsam sein. Wobei auch der Wechsel der Auftrittsorte immer wieder für neue spannende Momente sorgen kann – die Schüür Luzern kannte ich bisher sogar nur vom Namen her. Wenn also Chris Corner mit seinem Dark-Wave-Flaggschiff IAMX zum Tanze ruft, dann lasse ich mich nicht zwei Mal bitten. Mit „Everything Is Burning“ hat die Gruppe vor kurzem ihre neuste EP veröffentlicht und somit die Tour zum Album „Metanoia“ in Verlängerung gebracht. Nach Aarau und Winterthur galt es nun, die Stadt in der Zentralschweiz zu besuchen.

Wer in sein Set mit drei Krachern wie „No Maker Make Me“, „Happiness“ und „Nightlife“ einsteigt, der beweist zwei Dinge: Als Künstler muss er seinem Publikum nichts mehr beweisen, hier dürfen auch die grossen Hits gleich zu Beginn beben – und ein spärlich besuchter Auftritt ist für IAMX noch lange kein Grund, spärlich mit der Energie umzugehen. Denn obwohl nur erstaunliche wenige dunkel gekleidete Personen das Lokal aufsuchten, entwickelte sich gleich mit den ersten Klängen eine wunderbare Stimmung. Tanzen, jubeln, schreien und mitfühlen – bei IAMX geht es auch immer darum, sich von der Umgebung und den Zwängen zu lösen.

Was in der oft brachialen Synth-Pop Musik bestens funktioniert und in einzelnen Stücken zu absurden Steigerungen führt, überträgt sich sehr schnell auf die eigenen Emotionen. Man leidet mit Corner, stampft seine Füsse auf den Boden und vollbringt kunstvolle Tanzbewegungen. Dabei wird man eins mit der düsteren Lichtshow, vermengt sich mit den grusligen Videoprojektionen und schlüpft zwischen Stimmeffekten und Keyboards hindurch. Egal ob man dabei vor Gefühlen schier verzweifelt wie bei „North Star“ oder auch mal schunkelnd zu „Screams“ die Augen schliesst – Empathie und Zusammengehörigkeit sind die treibenden Elemente.

Diese Themen, die von IAMX sehr oft direkt in den Songtexten thematisiert werden, entfalten live extreme Intensität. Wobei ein Konzert von der Gruppe auch ganz schnell zu einem kollektiven Rave anwächst und die Musiker sich gerne verausgaben. Toll, dass auch eher selten gehörte Stücke wie „You Stick It In Me“ oder „This Will Make You Love Again“ die Schüür erschütterten und den Gang in die nasskalte Nacht mehr als rechtfertigten. Denn wer beherrscht den Wintereinbruch schon besser als Chris Corner?

Dieser Text erschien zuerst bei Artnoir.

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