Rihanna – ANTI
Label: Westbury Road Entertainment, 2016
Format: CD im Digipak, mit Booklet und Poster
Links: Discogs, Künstlerin
Genre: R’n’B, Electronica, Hip-Hop
Es gab diesen Moment, in dem alles Sinn machte. Plötzlich fügten sich die Teile in das Gesamtbild ein, die Verbindungen schlossen sich und das Staunen machte sich breit. Denn eigentlich erwartete ich nicht viel – sicherlich mochte ich einige Lieder und Momente der Sängerin. In meiner Sammlung befand sich jedoch nur ein Album, und ihre Karriere verfolgte ich nicht wirklich. Doch wenn in „Goodnight Gotham“ plötzlich das Sample von Florence + The Machine erklingt, die Nacht düster wird und bedrohlich elektronische Klänge das Album kapern, waren jegliche Bedenken wie weggeblasen.
„ANTI“ ist ein Album, dass nicht nur lange in Arbeit war, sondern auch viele Leben sah. Über mehrere Jahre wurden einzelne Songs veröffentlicht, die Sängerin aus Barbados hielt die Öffentlichkeit an der langen Leine. Und dann plötzlich ist die neuste Scheibe da, gratis und für jeden zugänglich im Internet. Schon das Cover mit seiner verschobenen Darstellung eines Mädchens mit Krone sagt den Wandel voraus. Wo Rihanna zuvor doch oft für schmalzige Balladen und überproduzierte R’n’B-Ausgeburten stand, ist „ANTI“ nun genau sein Titel. Die Musik dreht der Vergangenheit den Rücken zu und erlaubt der Sängerin endlich, ihre Stimme auch in fremdlicher Umgebung auszubreiten. Die Lieder auf ihrem achten Studioalbum sind oft karg, gefährlich und weit entfernt von fröhlicher Club-Musik. Einzelne Gitarrenriffs schneiden sich durch düster gestimmte Synths, die Beats sind wackelnd und stolpern über die Texte, Opulenz hat sich schon lange verabschiedet. Was zuerst abstossend sein will, wächst mit der Zeit zu einer faszinierenden Kollaboration aus unzähligen Produzenten und Künstlern. Denn auch hier liess sich Rihanna die Lieder von einer gewaltigen Liste von kreativen Köpfen massschneidern. Dabei driftet sie mit „Kiss It Better“ in den Gitarren-Pop ab, besucht bei „Needed Me“ Jamie XX und Co. und lässt sich dann blutend aber zufrieden nach Hause tragen.
„ANTI“ ist ein Kaleidoskop aus falscher Erwartungshaltung, Gegenstimme und Eigenständigkeit. Rihanna hat sich endlich von ihren Fesseln losgelöst und ein Album unter ihrem Namen veröffentlicht, das weite Kreise anspricht. Schon immer stand die Sängerin für interessant geschriebene Lieder und gut produzierte Musik, doch erst jetzt kamen der Dreck, die Unvernunft und die Schnittwunden dazu. Die neuste Platte ist voller Überraschungen und Abgründe. Und bietet endlich allen Menschen die Gelegenheit, sich mit dieser Welt anzufreunden und melancholisch mitzutanzen. Wenn auch krumm.
Anspieltipps:
Kiss It Better, Needed Me, Same Ol‘ Mistakes, Goodnight Gotham
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